LIEBE KANN NICHT SÜNDE SEIN

Mönchengladbach

Foto: Peter Josef Dickers

DER AACHENER BISCHOF REGT EINE NEUAUSRICHTUNG DER KIRCHLICHEN SEXUALLEHRE AN

Homosexualität sei gottgewollt wie die Schöpfung, sagt der Aachener Bischof  Dr. Dieser. Die von der Kirche vertretene Lehre zur menschlichen Sexualität werde der Wirklichkeit nicht gerecht. Er selbst habe Homosexualität lange als Einschränkung von Sexualität betrachtet. Er habe jedoch gelernt, dass diese Sichtweise theologisch nicht zwingend sei. Liebe kann nicht Sünde sein. Falls sich heute zwei lesbische Frauen an ihn wendeten, um ein Kind taufen zu lassen, würde er es tun. Ein unweit von ihm residierender Kardinal würde ihnen eher empfehlen: „Gehen Sie mit Gott. Aber gehen Sie.“

Wir müssten entspannter und entkrampfter argumentieren, damit es zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Auffassung von Homosexualität kommen könne, betont der Bischof. Viele Menschen würden die katholische Auffassung von Sexualität als diskriminierend empfinden.

Wir befänden uns in einer spannenden Aufbruch-Phase, stellt ein Mobilitätsexperte für seine Branche fest. Kann das auch die Kirche von sich sagen? Oder kommen ihr Reformen zu schnell? Gehen sie ihr zu weit? Was muss bleiben? Was kann bzw. muss weg? Nicht alles muss seine bisherige Gültigkeit verlieren. Wesentliches darf nicht auf der Strecke bleiben. Der englische Lordprotektor Oliver McDowell hätte Reformen auf morgen verschoben, gestand er. Das hätte niemandem geholfen, aber auch keinem geschadet.

Ein bekannter Seelsorger betonte einmal seine Skepsis mit den Worten: „Ideen, Wünsche und Hoffnungen musste ich begraben.“ Ob Bischof  Dieser ihn zuversichtlich stimmen könnte? Der Aachener Bischof räumt ein, als einzelner Bischof könne er nicht Reformen in Gang setzen. Für die vatikanische Unfehlbarkeitsbehörde sind bahnbrechende Reformen und eine grundlegende Neuausrichtung der Kirche nicht notwendig, zumindest gegenwärtig nicht, auch wenn es außerhalb Roms abweichende Vorstellungen und Forderungen gibt.

„Sie dürfen nicht“, schrieb mir einmal der verstorbene Kölner Kardinal Joachim Meisner. Bischof  Dr. Dieser würde vielleicht sagen: „Lassen Sie uns darüber reden.“ Dass der Kirche die Zeit und die Menschen davonlaufen, wird ihm nicht gleichgültig sein.



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