Bloß nicht fallen lassen – Viersener reparierte Geige von 1670

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Fotos: Gertrud Müller

Tiefrote Farbpigmente in Lacken bleichen über die Jahre aus, die weiteren Farben bleiben. Das sagt nicht etwa ein Malermeister, sondern Tobias Pöhling, gelernter Streich- und Zupfinstrumentenmacher aus Viersen.

Der Mann muss es wissen, fertigte er doch in seinem Berufsleben etliche Musikinstrumente von Hand. Heute verkauft oder vermietet er Geigen und andere Streichinstrumente. Vor einigen Jahren spezialisierte er sich auf deren Reparatur.

Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden die ersten Geigen nach den Gamben, die durch die Wiederbelebung der Barockmusik ein Comeback feiern konnten. „Der Korpus einer Geige besteht aus Ahornholz, die Decke, also der obere Teil, auf den die Saiten aufliegen, aus Fichte“, informiert Tobias Pöhling. „Eine Geige lässt sich komplett zerlegen und wieder zusammenbauen.“ Die Streichinstrumente seien auch nach einem Totalschaden reparaturfähig, es sei jedoch eine teure Angelegenheit. Bedenkt man, dass eine Geige aus insgesamt 80 Teilen besteht, ist dies nicht verwunderlich. „Dazu gehören beispielsweise Boden, Decke, Hals mit Schnecke, Griffbrett, Saiten, Wirbel, Zarge, Steg als Saitenhalter.“ Der Fachmann erläutert anschaulich anhand eines Instruments.

Durchschnittlich drei Geigen repariert Tobias Pöhling wöchentlich, aber auch jegliche Arten von Saiteninstrumenten. „Die älteste Geige, die mir gebracht wurde, war aus 1670“, erzählt er stolz. „Bloß nicht fallen lassen“, habe er gedacht. Es sei ein faszinierendes Erlebnis gewesen, vor allem die Frage, wer auf diesem Instrument so alles gespielt hätte.
 
Zu Beginn seiner Selbständigkeit stellte Tobias Pöhling Geigen, Kontrabässe, Gitarren oder Celli her. Zur Herstellung eines neuen Instruments benötigt er etwa 100 bis 150 Stunden. „Die Lackierung von fertigen Streichinstrumenten dauert zusätzlich etwa 50 Stunden, da die einzelnen Schichten mehrere Trockenphasen durchlaufen müssen.“ Fasziniert hat ihn mehr der Geigenbau, „4/4 Geigen“, wie sie in der Fachsprache heißen. Für Kinder, so klärt der Fachmann auf, kommen kleine Instrumente in Frage, hinunter bis zu Spielzeuggrößen in 1/128.  

Während in Deutschland der Beruf des Streich- und Zupfinstrumentenmachers in Mittenwald/Bayern gelehrt wird, absolvierte Tobias Pöhling eine dreijährige Ausbildung an der englischen Newark School of Violinmaking. Diese beinhaltete auch Reparaturen und Restaurationstechniken. Nach Stationen über Melborne/Australien und London/Großbritannien wagte er 2004 den Schritt in die Selbständigkeit in Viersen. Was wünscht sich Tobias Pöhling zum 20-jährigen Jubiläum? „Dass ich noch die nächsten 20 Jahre diesen Beruf ausüben kann“, sagt er lachend, „und dass sich genügend Nachwuchs fürs Geige-, Bratsche-, Cello- oder Kontrabassspielen entscheidet.“



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