Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (28)

Peggy war nun ganz in ihrem Element und zeigte ihrer Granny, was sie schon alles konnte. Sie saß gespannt in ihrem Hochstühlchen und konnte es nicht abwarten, bis Alice ihr die Schüssel mit ihrem Lieblingsfrühstück servierte. In der rechten Hand hielt die Kleine ihre Milchflasche feste umschlungen, so als ob diese um jeden Preis verteidigt werden musste. In der anderen balancierte sie geschickt einen kleinen Plastiklöffel, den sie in ihr Obstporridge dippte. Genüsslich schlabberte sie die Kelle ab und schmatzte dabei außerordentlich zufrieden. „Du hast dich ja richtig gut mit Fiona verstanden Mom? Das hätte ich echt nicht erwartet. Man konnte euch beide ein paar Mal richtig laut lachen hören. Worüber habt ihr euch denn so amüsiert?“ Alice stellte einen Teller mit Tattie scones in die Mitte des Tisches und öffnete die selbstgemachte Marmelade. Sofort verströmte sie einen köstlichen Duft nach Limonen, Erdbeeren und Quitten. Die Tattie scones hingegen lagen schlaff auf ihrem Teller und erinnerten ein bisschen an dicke Pfannkuchen. „Fiona ist eine wunderbare Person und wir haben sie alle ganz doll in unsere Herzen geschlossen. Besonders Ian, er liebt sie sehr! Für mich ist sie eine super Geschäftspartnerin und gute Freundin. Naja und Peggy betet sie förmlich an. Es wäre nicht fair, wenn man ihre Gefühle verletzten würde.“ Alice schob ihrer Mutter eine Tasse starken, schwarzen Tee über den Tisch und schaute sie durchdringend an. Sie kannte ihre Mutter nur zu genau und wusste, dass Betty nicht nur zur Taufe ihrer Enkelin nach Schottland gereist war. Sie führte etwas anderes im Schilde. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters, war sie immer noch mit allen Wassern gewaschen und wer sich mit ihr anlegte, musste sich warm anziehen. Betty nippte vorsichtig an dem heißen Gesöff und stelle die Tasse vorsichtig wieder auf den Tisch. „Man merkt sofort, dass Fiona eine ganz besondere und ausgesprochen starke Frau ist. Ich habe sie irgendwie auch direkt ins Herz geschlossen, ich konnte nichts dagegen unternehmen. Es war so, als würden wir uns schon ewig kennen.“ Betty schmunzelte in sich hinein und Alice versuchte die Gedanken ihrer Mutter zu lesen. „Fiona spricht wundervoll von deinem Dad und man merkt ihre tiefe Zuneigung zu ihm. Das hat der gute, alte Ian auch wirklich verdient und ich freue mich von Herzen, dass er noch einmal glücklich geworden ist.“ Betty schaute für einen Moment auf ihre Schuhspitzen und bemerkte, wie staubig sie waren. „Ja, da hast du vollkommen Recht Mom. Aber was jetzt viel wichtiger ist, wie sieht dein weiterer Plan aus? Bleibst du noch ein paar Tage und feierst mit uns Peggy´s Taufe am Sonntag?“ Betty atmete tief durch die Nase ein und sagte. „Ach mein Kind, ich weiß nicht so recht. Es ist sicher besser, wenn ich gleich zurück ins Dorf fahre und dann in den Bus nach Aberdeen steige. Vielleicht erwische ich am Abend noch einen Flug nach Dublin. Ich möchte das junge Glück nicht stören und ehrlich gesagt, wäre ich doch hier nur im Weg.“ Peggy klatschte in die Hände und riss die beiden Frauen kurz aus ihrem Gespräch. Sie hatte ihre kleinen Fingerchen tief ins Porridge gesteckt und schlabberte das köstliche Zeug nun auf ganz unkonventionelle Art. „Ach echt? Wie kommt denn dieser plötzliche Sinneswandel? Ich dachte du bleibst noch ein paar Tage und freundest dich ein bisschen mit deiner Enkelin an. Es fände es schön, wenn du bis zu Peggy´s Taufe bleiben würdest.“

Auf dem Hof war unterdessen schon reges Treiben angesagt, denn Ian´s Umzug war in vollem Gange. Mit schnellen Schritten kam der alte Schotte plötzlich kreidebleich aus dem Stall gelaufen, gefolgt von Glen. „Ach du liebe Zeit, ich habe ja den Umzug vollkommen vergessen. Die sind ja schon fast fertig. Und ich vertreibe mir stattdessen die Zeit mit Heuballen stapeln und sentimentalen Gedanken! Ich Idiot! Aber was soll ich jetzt zuerst machen? Der Weihnachtsmarkt öffnet gleich und es ist noch so viel zu erledigen?“ Völlig überfordert raufte sich der alte Schotte die Haare und schaute seinen Sohn fragend an. „Jetzt entspanne dich mal Dad. Ich habe hier alles unter Kontrolle und du kannst dich in aller Ruhe um deinen Umzug kümmern. Das haben wir doch schon vor Wochen so geplant und da wird sich jetzt auch nichts dran ändern, nur weil Betty hier aufgetaucht ist. Los geh hinüber zu Fiona! Sie braucht bei deinem ganzen Krempel bestimmt ein bisschen Unterstützung. Wahrscheinlich passen eh nicht alle Kartons in das kleine Häuschen.“ Glen lachte und klopfte seinem Vater liebevoll auf die Schulter. „Und denke nicht so viel über ungelegte Eier nach. Lass die Vergangenheit ruhen und konzentriere dich besser auf die Gegenwart. Sie tut dir wesentlich besser.“ Wie ein begossener Pudel schlurfte Ian über den Hof und sah von Weitem, wie Fiona ihm aufgeregt zuwinkte. Als er in Hörweite war, konnte er auch ihre Worte verstehen. „Ian, endlich! Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen? Es sind bestimmt schon dreißig Kartons im Haus und ich weiß nicht was in ihnen ist. Warum hast du sie denn nicht sorgfältig beschriftet?“ Der alte Schotte küsste seine Liebste stürmisch auf den Mund und hob sie mit seinen Armen ein Stück in die Luft. Nun war ihm alles klar und er wusste genau was er zu tun hatte. Warum hatte er nur einen Moment an dieser wunderbaren Liebe gezweifelt? In diesem Moment war er unsagbar glücklich und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Dann sah er aus den Augenwinkeln, dass sich jemand dem verliebten Paar näherte. Augenblicke später stand Betty neben den beiden und strahlte übers ganze Gesicht.



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