Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (30)

„Was machen sie da mit meiner Frau? Lassen sie sofort die Finger von ihr, sonst komme ich ihnen über den Tresen gesprungen. Wird´s bald Freundchen!“ Erschrocken zuckte Ellen zusammen und ließ augenblicklich von Patrick ab. Dann erkannte sie den Besucher und erschauerte innerlich. Es war ihr Ehemann. „Leon, du hier? Wie kann das sein? Ich dachte dein Chef braucht dich dringend in der Firma, da du scheinbar unabkömmlich bist. Und jetzt hast du doch den weiten Weg nach Schottland gefunden! Das ist wirklich eine unerwartete Überraschung.“ Leon hatte sein Augenmerk immer noch auf Patrick gerichtet und fixierte ihn wie ein wildgewordener Wolf. Auch wenn sich seine Gefühle für Ellen in den letzten Monaten dramatisch abgekühlt hatten, war er doch immer noch rasend eifersüchtig, wenn ihr ein anderer Mann zu nahe kam. Patrick schien es ebenso zu ergehen, denn auch er ließ den Neuankömmling nicht einen Moment aus den Augen. Fast schien es so, als würden sie sich jeden Moment an die Gurgel gehen. „Wer sind sie eigentlich? Und was machen sie mit meiner Frau in dieser lächerlichen Weihnachtshütte?“ Leon trat einen Schritt zurück und begutachtete Patrick wie ein Stück Vieh. „Momentmal, ich kenne doch diese Visage von einigen Bildern in Ellen´s alten Fotoalben. Du bist ihr Verflossener, der sie in der Nacht vor der Hochzeit mit einer Kellnerin betrogen hat? Ha, das wird ja immer besser und ist zugleich höchst interessant.“ Abschätzig starrte Leon in die aufgerissenen Augen von Patrick und zog seine Mundwickel zu einem hämischen Lachen nach oben. „Ich glaube wir sind uns in diesem Leben noch nicht begegnet, ist also unmöglich, dass du mein Gesicht kennst. Keine Ahnung wovon du sprichst Mann.“ Patrick war sich unsicher, wie viel Leon über die Vergangenheit von Ellen wusste und tat so, als wäre er die Unschuld vom Lande. In der Zwischenzeit war die junge Frau blitzschnell aus der Hütte geeilt und stellte sich zwischen die beiden Männer, sodass ihnen die Sicht versperrt wurde. Die Schusslinie war nun gesichert und die unangenehme Energie löste sich auf. Das Paar begrüßte sich flüchtig und stand sich dann wortlos gegenüber. Kleinlaut und etwas zögerlich stotterte Leon. „Hallo Baby, schön dich zu sehen. Du warst nach unserem Streit letzte Woche so schnell verschwunden, dass ich dir die Gründe für mein Verhalten gar nicht erklären konnte. Doch jetzt kann ich bis nächsten Mittwoch bleiben und wir können alles klären was dir auf dem Herzen liegt. Mein Chef gab mir seinen Segen und meinte, ich sollte meine Frau lieber nicht so lange alleine in Schottland lassen. Und wie ich sehe, hat er damit voll ins Schwarze getroffen.“ Leon wollte seine Angetraute in die Arme schließen und sie feste an sich drücken, doch Ellen wich zurück. „Das ist ja sehr großherzig von deinem Chef und so vorbildlich. Aber du kannst ihm schöne Grüße bestellen und sagen, dass das absolut nicht nötig war. Dies hier ist meine Familie, die mich liebevoll und fürsorglich aufgenommen hat. Blut ist eben doch dicker als Wasser. Und da du mir vor meiner Abreise eindeutig gezeigt hast, dass deine Arbeit wichtiger ist als unsere Ehe, blieb mir ja wohl keine andere Wahl. Eines lass dir aber gesagt sein, so einfach ist die heile Welt nicht wieder herzustellen.“ Demonstrativ und mit hochrotem Kopf stampfte Ellen über den Markt hinüber zum Haus und ließ Leon einfach stehen. Patrick grinste insgeheim in sich hinein und fand die Abfuhr von Ellen wirklich sehr gelungen. Das hatte der aufgeblasene Fatzke redlich verdient.

Betty und Ian saßen immer noch bei einem Tee in der Stube des kleinen Häuschens, als Ellen völlig außer Atem im Türrahmen auftauchte. Erstaunt blieb die junge Frau vor ihren Eltern stehen und wusste nicht, was sie von der befremdlichen Situation halten sollte. „Hallo Mom und Dad!? Ich suche eigentlich Fiona . . . Wieso sitzt ihr überhaupt hier zusammen an einem Tisch? Habe ich in den letzten Stunden irgendwas verpasst?“ Ellen knöpfte ihre Jacke auf, denn sie war so schnell gerannt, dass ihr nun total heiß war. „Liebes Kind, los setzt dich zu uns, du kommst gerade recht. Dein Vater und ich haben uns ausgesprochen und die alten Streitereien endlich begraben. Wir wollen jetzt wieder regelmäßig miteinander reden und uns austauschen. Was hältst du davon?“ Ellen schaute von einem Elternteil zum anderen und konnte es immer noch nicht so richtig glauben. Doch dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. „Das finde ich wirklich toll! Darauf habe ich mein ganzes Leben lang gewartet und ich bin echt stolz auf euch. Endlich können wir uns wieder wie eine ganz normale Familie verhalten und uns zu allen wichtigen Feiertagen ganz ungezwungen treffen.“ Ellen breitete ihre Arme aus und umarmte erleichtert ihre beiden Eltern. Dadurch wurde ihr Leben ein bisschen einfacher und ihr fiel ein schwerer Stein vom Herzen. Fiona hatte die letzten Wortfetzen soeben mitbekommen und strahlte übers ganze Gesicht. „Da hatte ich wohl doch den richtigen Riecher und ein gutes Gespür, dass ihr diese Aussprache dringend nötig hattet. Ich freue mich sehr für euch drei und hoffe, dass Betty nun öfter zu uns aufs Gut kommt.“ Fiona hatte sich auf Ian´s Schoß gesetzt und gab ihm einen dicken Schmatzer auf die Stirn. „Meine bessere Hälfte findet immer die richtigen Worte und hat einen ausgeprägten Sinn für Humor. Lasst uns doch erst einmal Peggy´s Taufe am Sonntag feiern und dann schauen wir weiter, wie sich unsere Familienfeste entwickeln.“ Ian klopfte dreimal mit der Faust auf den Holztisch und blickte seiner Liebsten tief in die Augen. „Du bist die wundervollste Frau auf der Welt. Ich liebe dich sehr und ich kann es nicht erwarten, dein Ehemann zu werden.“



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