Eine Kolumne von Thordis (32)
Leon schaute vorsichtig auf seine Armbanduhr und drehte sich dann wieder zur anderen Seite des Bettes. Er schwebte auf Wolke sieben, denn neben ihm lag, scheinbar in einen süßen Traum gehüllt, Ellen wie eine verwunschene Prinzessin. Sie lächelte im Schlaf und sah einfach zauberhaft aus. Er hatte ihr gestern eine Nachricht auf ihr Handy geschickt und darum gebeten, sich nochmal mit ihr auszusprechen. Daraufhin hatte sich Leon kurzerhand im Dorf ein Zimmer gemietet und dort stundenlang auf seine Frau gewartet. Als Ellen dann schließlich doch noch am späten Abend auftauchte, war die Freude bei dem jungen Mann groß. Er beichtete ihr alles und beteuerte unter Tränen, dass so ein Vorfall nicht mehr vorkommen würde. Sie verbrachten eine aufregende Nacht miteinander, die seit langer Zeit sehr zärtlich und harmonisch war. Leon fühlte sich großartig und konnte es nicht abwarten, mit seiner Angetrauten wieder zu Hause in Australien zu sein. Er hatte so viele Pläne für die Zukunft und wollte sie so schnell wie möglich in die Tat umsetzten. Liebevoll strich er Ellen eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste ihre stupsige Nasenspitze. Die junge Frau rekelte sich genüsslich und streckte alle Viere von sich. Dann öffnete sie ihre Lider und sah in das strahlende Gesicht ihres Mannes. „Guten Morgen meine Schöne, wie hast du geschlafen? Ich wollte gerade runter gehen und uns das Frühstück nach oben holen.“ Ellen rieb sich den Schlaf aus den Augen und schaute sich im Zimmer um. „Ach du liebe Güte. Ich bin die ganze Nacht bei dir gewesen? Wie konnte das passieren?“ Wie von Sinnen sprang Ellen aus dem Bett und riss dabei die kleine Lampe vom Nachttisch. Es gab einen gewaltigen Rums, und das Leuchtmittel landete auf dem Boden. „Was heißt denn hier, ach du liebe Güte? Wir sind verheiratet und hatten einen schönen Abend zusammen. Wir haben gut gegessen und uns alles von der Seele geredet. Ich dachte es wäre jetzt alles zwischen uns geklärt. Das wolltest du doch schon die ganze Zeit.“ Leon sank enttäuscht auf die Bettkante und hob die Nachttischlampe auf, die zum Glück keinen Schaden davon getragen hatte. „Ich glaube da hast du etwas ziemlich falsch verstanden Leon.“ Ellen streifte sich in Windeseile das blaue Cordkleid über und zog hastig ihre Lederstiefel an. „Ja, es war ein super schöner Abend gestern und ich fand es auch toll, dass wir uns ausgesprochen haben. Nur ist für mich jetzt nicht wieder alles in Butter. Ich habe echt lange darüber nachgedacht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es zwischen uns nie wieder so werden kann, wie vor deiner Affäre. Daher glaube ich, ist es besser, wenn wir getrennte Wege gehen.“ Hastig band sich Ellen ihre blonden Haare zusammen und steckte sie mit einer Nadel zu einem Knoten zusammen. Leon saß noch immer auf dem Bett und konnte nicht glauben, was seine Frau da von sich gab. Das sie tatsächlich so einen Schritt in Erwägung zog, hätte er nie für möglich gehalten und glaubte an einen dummen Scherz. „Ich verstehe das alles nicht Ellen. Was soll das denn im Einzelnen heißen? Ich glaube, du weißt nicht was du da sagst und solltest vielleicht nochmal einen Nacht drüber schlafen. Du kannst unsere Ehe doch nicht einfach so wegwerfen!“ Er stand nun auf und ging mit langsamen Schritten auf seine Frau zu. Er wagte es nicht sie anzusehen, denn er spürte ihre Entschlossenheit in ihren Augen. Insgeheim hatte er wahnsinnige Angst vor ihrer Antwort. Und dann kam sie aus ihrem Mund geschossen. Ungefiltert und wie aus der Pistole geballert. „Ich weiß sehr wohl was ich gesagt habe. Es gibt kein WIR mehr Leon! Auf deine Eskapaden habe ich einfach keine Lust mehr, denn ich möchte nicht länger dein Spielball sein. In ein paar Tage bin ich wieder zurück in Australien und dann werden wir unsere Habseligkeiten unter uns aufteilen. Ich denke, ich gehe wieder zurück nach Schottland, denn hier schlägt mein Herz und hier sind die Menschen die mich lieben. Mehr brauche ich nicht zum leben.“
Ellen kam noch rechtzeitig auf dem Gutshof an, um sich für die Feierlichkeiten der Taufe hübsch zu machen. Als ihr Alice am Eingang begegnete, schleifte sie die Schwester mit in ihr Zimmer und verschloss die Türe hinter sich. „Wo um alles in der Welt bist du denn gewesen? Wir haben dich heute Morgen beim Frühstück vermisst. Ich habe mir totale Sorgen gemacht. Hast du gar nicht in deinem Zimmer geschlafen?“ Ellen lief aufgeregt im Zimmer hin und her. Sie knabberte verlegen an ihren Fingernägeln und wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Ich habe die Nacht mit Leon in der Dorfpension verbracht und fühle mich total schlecht. Aber bitte sage kein Wort zu Glen oder Dad, die halten mich eh schon für total irre.“ Alice schaute ihre Schwester mit fragenden Augen an und begriff im ersten Moment gar nichts. „Warum habt ihr im Dorf übernachtet? Hier in deinem Zimmer ist doch genug Platz für zwei Leute. Ich begreife das ehrlich gesagt nicht. Das war super lieb von Leon, dass er doch noch nach Schottland geflogen ist, um mit uns zusammen die Taufe von Peggy zu feiern.“ Es klopfte zaghaft an der Türe und kurze Zeit später steckte Fiona ihren Kopf durch den Schlitz. „Ellen! Hallo….bist du da? Ach Alice, du bist auch hier, das ist gut. Ian ist ein bisschen aufgeregt und läuft wie ein wilder Tiger im Kaminzimmer auf und ab. Er möchte wissen, wann wir losfahren, denn er befürchtet, dass die Straße ins Dorf vereist ist. Der Mann ist immer so pessimistisch.“ Fiona kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Zum Glück ist die Sonne rausgekommen, sodass der Taufe an diesem perfekten Wintertag, nichts mehr im Wege steht und wir uns über die Straßen wohl keine Gedanken machen müssen.“ Ellen machte eine einladende Handbewegung und gab so zu verstehen, dass die Freundin ins Zimmer kommen sollte. „Wir sind gleich soweit Fiona. Ich muss nur noch kurz ein anderes Kleid anziehen und ein bisschen Makeup auftragen. Das dauert nicht lange. Dir ist ja sicher aufgefallen, dass ich letzte Nacht nicht in diesem Bett geschlafen habe und daher ein bisschen in Zeitverzug bin.“ Fiona zog eine Augenbraue hoch und ließ ihren Blick durchs Zimmer streifen. „Ellen, du bist eine erwachsene Frau und kannst tun und lassen was du willst. Als du nicht zum Frühstück kamst, war mir schon fast klar, dass du bei Leon übernachtet hattest. Aber Patrick hingegen hatte sich große Vorwürfe gemacht, dass er dir gestern nach dem Streit mit Leon nicht hinterher gelaufen war. Konntest du denn wenigstens für Klarheit sorgen?“ Hastig wuselte sich Ellen durch ihre Haare, hüllte sich ein wenig in Parfüme ein und zog ihre schwarzen Pumps an. Sie überspielte somit, dass ihr Herz bei dem Namen des Schafhirten doppelt so schnell klopfte und plauderte unbeirrt weiter. „Dein Rat Fiona war durchaus goldwert und ich bin so froh, dass ich es wirklich durchgezogen habe. Wenn wir gestern nicht zusammen gesprochen hätten, weiß ich nicht, wie lange ich das noch mitgemacht hätte.“ Alice verstand im Moment nur Bahnhof, verfolgte das Gespräch aber aufmerksam weiter. „Ich habe Leon klipp und klar gesagt, dass ich auf seine Verrücktheiten keine Lust mehr habe und einen Schlussstrich ziehen werde. In den paar Tage hier in Schottland ist mir klar geworden, was wirklich im Leben zählt. Meine Familie und die Menschen, die mich so lieben, wie ich bin. Das ist doch nun wirklich das Wichtigste im Leben. Oder wie seht ihr das?“ Alice schluchzte und fiel ihrer kleinen Schwester um den Hals. „Ich bin so stolz auf dich und unendlich froh, dass du nun weißt, wie dein weiterer Lebensweg aussehen soll. Ja, die Liebe ist das Wichtigste im Leben, da hast du vollkommen recht. Und ich denke, da gibt es noch jemanden, der das genauso sieht wie ich.“