Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (39)

Jedoch bevor Patrick seinen Antrag richtig ausformulieren und theatralisch vor seiner Angebeteten niederknien konnte, fiel ihm Ellen schon kreischend um den Hals. Sie tönte laut und deutlich „JAAAAAAAAA, ich will! Ich will von ganzem Herzen deine Frau werden und gehe mit dir bis ans Ende der Welt.“ Pat war vom Ansturm seiner Liebsten so überrascht, dass er einen Schritt nach hinten machte und fast rückwärts in seinen Stuhl gefallen wäre. Im letzten Augenblick fing er Ellen auf und hob sie mit ausgestreckten Armen in die Höhe. Ausgelassen vor Begeisterung klatschte die Gesellschaft in die Hände, johlte und strahlte mit den Verlobten um die Wette, bis sich schließlich alle wieder beruhigt hatten. Das war in der Tat ein wahres Weihnachtswunder, was man nun wirklich nicht alle Jahre erlebte. Aber es passte hervorragend in die ausgelassene Stimmung des Abends und zu der märchenhaften Atmosphäre, die seit einigen Tagen auf Fraserburgh herrschte. Patricks Augen funkelten wie bei einem Honigkuchenpferd und er küsste seine Verlobte leidenschaftlich auf den Mund. Dann streifte er ihr den kleinen, goldenen Ring über und flüsterte ihr leise ins Ohr. „Diesmal werde ich es nicht versauen, dass verspreche ich dir hoch und heilig. Du bist die Frau meiner Träume und ich will nie wieder ohne dich sein. Ich habe immer nur dich geliebt!“ Ellen schluchzte laut auf und vergrub ihr Gesicht in Patricks kratzigem Schurwollpullover. Sie drückte ihn ganz feste an ihr Herz und war unendlich glücklich. Glen war um den Tisch herumgelaufen und kam auf die Verliebten zugeschritten. Er klopfte dem Hirten ein paar Mal brüderlich auf die Schulter. „Herzlichen Glückwunsch alter Junge. Warum hast du mich denn nicht in deinen Plan eingeweiht? Ich hätte dir gerne mit Rat und Tat zur Seite gestanden.“ Dann machte er eine kurze Pause. „Aber ich denke, du hast das auch ohne meine Hilfe ganz gut hinbekommen.“ Der Gutsbesitzer zog zuerst seine Schwester liebevoll an sich heran und gab ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange. Dann umarmte er seinen zukünftigen Schwager und hämmerte ihm mit der flachen Hand unaufhörlich auf den Rücken. „Du altes Schlitzohr! Ich habe doch gewusst, dass du noch in Ellen verschossen bist. Mensch, bin ich froh, dass du meine kleine Schwester nun endlich glücklich machen wirst. Das wurde aber auch langsam Zeit.“ Die beiden Männer schauten sich an und jeder von ihnen hatte feuchte Augen. „Das ist genau mein Plan Glen. Ich will Ellen endlich das geben, was sie schon so lange verdient. Es soll ihr an nichts fehlen, dafür werde ich sorgen.“ Pat griente seinen Kumpel an und spürte wieder diese innige Verbundenheit aus Kindertagen in sich aufsteigen. „Du weißt genau, dass ich vor zehn Jahren durch meine eigene Dummheit alles verloren hatte, was mir lieb und teuer war. Die Trennung von diesem wunderbaren Wesen habe ich nie wirklich verwunden. Doch als ich vor ein paar Tagen Ellen bei euch in der Küche wiedersah, spürte ich meine zweite Chance. Diesmal sollte alles perfekt werden und wie ich finde, ist es das auch.“ Alice hatte die letzten Worte des Schafhirten mitbekommen und war zu Tränen gerührt. Auch sie gratulierte den Verlobten und schloss beide auf einmal in ihre Arme. Dann schmiegte sie sich hingebungsvoll an ihren Ehemann und säuselte. „Ach ihr Zwei, ich freue mich so für euch und kann euch gar nicht sagen, wie glücklich mich das macht. Nach all den Jahren könnt ihr endlich zusammen die Welt bereisen und eure alten Pläne wieder aufleben lassen. Das ist ein wunderbares Happy End und ein toller Abschluss für dieses turbulente Jahr. Wie im Märchen eben.“ Glen schaute seine Frau verwundert an und zog eine Augenbraue hoch. „Liebling, willst du etwa damit sagen, dass du nichts von Pat´s Heiratsplänen gewusst hast? Er hat auch dir nichts verraten?“ Der Gutsbesitzer schaute seine Frau fragend an. „Genauso ist es Darling! Mir war zwar klar, dass er immer noch Augen für Ellen hatte, denn die Flirterei der Beiden war ja kaum zu übersehen. Aber was er tatsächlich vor hatte, wusste ich genauso wenig wie du. Sein Antrag heute Abend kam auch für mich total überraschend.“

Als sich die Aufregung etwas gelegt und alle ein Glas Sherry auf dem Tisch hatten, stand plötzlich der Brautvater vor dem jungen Paar. Er wollte auf ein Wort mit Patrick alleine reden und bat ihn, mit nach draußen zu kommen. Vorher schloss er seine Tochter zärtlich in die Arme und küsste sie sanft auf die Stirn. „Liebes, bist du glücklich?“ Ellen zwitscherte kaum hörbar. „Dad, ich glaube so glücklich war ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Pat ist der Richtige für mich, das habe ich immer schon gewusst. Er akzeptiert mich so wie ich bin und das ist einfach wundervoll.“ Der alte Schotte nickte stumm und verschwand kurz darauf mit Patrick in der großen Eingangshalle. „Begleitest du mich in den Stall? Ich möchte kurz nach Paul schauen, der gefiel mir heute Morgen ganz und gar nicht. Seine Möhren von heute Morgen lagen vor einer Stunde noch unberührt in seinem Trog.“ Patrick zog sich seinen roten Anorak an und folgte dem alten Mann schweigend in die Kälte. In der Mitte der Auffahrt stand wunderschön die große Tanne, die mit vielen kleinen Lichtern bunt geschmückt war. Sanft schaukelte sie im Wind und rauschte ein vertrautes Lied in der Abenddämmerung. Der frisch gefallene Schnee knirschte unter den Füßen der Männer, als sie über den Hof liefen. „Ian, gibt es etwas Bestimmtes, was du mit mir alleine bereden möchtest? Oder willst du deinem zukünftigen Schwiegersohn einfach nur so die Leviten lesen?“ Patrick fühlte sich plötzlich unwohl in seiner Haut und spürte seinen Herzschlag etwas schneller in seiner Brust schlagen. Der alte Schotte führte etwas im Schilde, das war unverkennbar, doch der Schafhirte konnte es nicht richtig zuordnen. Dann blieb Ian abrupt stehen und hielt Patrick an der Schulter feste. „Es tut mir leid Pat, aber du kannst Ellen nicht heiraten!“



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