Eine Kolumne von Thordis (13)
„Endlich ist der Umbau beendet und du kannst in zwei Wochen einziehen wenn du willst.“ Alice wedelte freudestrahlend mit dem Schlüssel für das 1. Dienstbotenhäuschen und sah Fiona erwartungsvoll an. Die beiden Frauen waren in den letzten Monaten zu wirklich guten Freundinnen geworden und verstanden sich prächtig. Alice freute sich sehr, dass die Bäckerin zu ihnen auf den Gutshof zog und sie konnte es kaum erwarten mit ihr das kleine Café zu eröffnen. „Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen Alice. Ich habe ja meine Wohnung in Rosehearty schon vor ein paar Wochen gekündigt und muss zum nächsten 1. ausziehen. Yippie..ich freue mich so.“ Fiona nahm Alice überglücklich in die Arme und drückte sie sanft, denn diese hatte die kleine Peggy in einem Tragetuch vor ihrem Bauch. Die kleine Maus gluckste vergnügt und genoss die freundschaftliche Umarmung ebenfalls. Die drei Mädels verharrten sekundenlang in dieser Position und strahlten sich gegenseitig an. „Meine Süße, dann werden wir uns jeden Tag sehen und können gemeinsam mit deinem Opa durch den Wald spazieren. Was hälst du davon?“ Peggy hüpfte vergnügt im Tragetuch auf und ab, als sich Fiona mit ihr unterhielt. Sie griff nach ihren Haaren und zog daran. „Na das passt ja wie die Faust aufs Auge und hätte nicht besser laufen können. Ich freu mich so sehr, dich bald in unserer Nähe zu haben. Wenn du willst kannst du schon ein paar Sachen unterstellen. Du musst nur mit der Farbe in der Stube und im Schlafzimmer aufpassen, die ist noch nicht ganz getrocknet.“ Ehrwürdig nahm Fiona den Bund mit den drei Schlüsseln entgegen und sah jetzt erst, dass an ihnen ein kleiner Anhänger in Form eines Cupcakes hing. Sie war den Tränen nah und drückte Alice nochmal. „Ihr seid so lieb und herzlich. Da geht mir wirklich das Herz auf! Ich fühle mich so sehr mit euch verbunden, fast so wie Familie.“ Fiona wischte sich eine kleine Träne aus den Augenwinkeln und lächelte verlegen. „Du bist wie Familie für uns Fiona. Und Peggy liebt dich abgöttisch, dass weißt du doch. Wir werden uns super verstehen, da bin ich mir ganz sicher.“ Die beiden Frauen waren nun in die Küche gegangen und setzten sich an den Tisch. „Ach übrigens, hast du etwas von Ian gehört Fiona? Er hat vor drei Tagen noch das 2. Häuschen von außen gestrichen und ist seither wie vom Erdboden verschluckt. Obwohl er sich ja nicht bei uns abmelden muss, bin ich schon ein bisschen beunruhigt.“
Ian stand stumm vor dem alten Gemäuer in Inverness und starrte es minutenlang an. Die weiße Fassade wirkte verwittert und die kleinen Fenster mit ihren Butzenscheiben ein wenig eingestaubt. Dennoch besaß es Charme und sah irgendwie einladend aus. Man spürte, dass die Zeit nicht spurlos an ihm vorüber gegangen war und ja, man konnte tatsächlich noch den Geruch der vergangenen Jahrhunderte riechen. Gestochener Torf lag in der Luft und Ian erinnerte sich an seine Kindheit. Und er erinnerte sich an das Gespräch mit Glen, welches er zwei Tage zuvor mit ihm geführt hatte.
„Dad, ich muss mit dir reden. Komm, lass uns rüber ins Kaminzimmer gehen, da sitzen wir bequemer. Ich habe uns auch ein dickes Stück von der guten Lorne Wurst abgeschnitten. Willst du dazu ein Glas Whisky trinken?“ Seit Generationen wurden bei den Livingstones wichtige Dinge grundsätzlich im Kamzimmer besprochen und Glen führte diese Tradition mit einer strikten Beharrlichkeit fort. „Du machst es mal wieder spannend mein Junge und mir schlottern ein bisschen die Knie. Ist mir früher nie aufgefallen, dass man sich sehr unwohl dabei fühlen kann, wenn man weiß, dass ein ernstes Gespräch folgt.“ Glen lachte und klopfte seinem Vater fürsorglich auf die Schulter. „Ach Dad, so schlimm wird es nicht, dass kann ich dir verraten. Aber ja, für mich war es immer sehr beklemmend, wenn du mich ins Kaminzimmer gerufen hast. Dabei kam in der Regel nie etwas Gutes heraus. Meistens bekam ich Stubenarrest oder musste den Stall ausmisten.“ Die beiden Männer lachten und setzten sich in die gemütlichen Ledersessel. „Mh…lecker. Ich liebe es, wenn Alice unsere alte schottische Wurstspezialität selbst zubereitet. Und dann ein Schlückchen guten, alten Whisky dazu….einfach perfekt. Danke mein Junge, gerne.“ Glen reichte seinem Dad das Glas und goss sich ebenfalls etwas von dem goldenen Saft ein, dann kam er gleich zur Sache. „Alice hat doch vor ein paar Wochen diese Liebesbriefe von Granny Helen gefunden und du hast mir die ganze Geschichte erzählt. Alice hat jetzt heraus gefunden, dass das noch nicht alles war. Ururgroßvater Angus hatte ebenfalls eine Liebschaft und zwar mit einer französischen Magd aus Inverness. Aus dieser Verbindung ging ein Kind hervor, ein Junge namens Lukas.“ Glen nippte an seinem Glas und sah seinen Vater mit Argusaugen an. Doch Ian ließ sich nichts anmerken, schnitt ein Stückchen von der Wurst ab und biss herzhaft hinein. „Was willst du mir damit sagen Glen. Ich hatte dir doch erzählt, dass wir wahrscheinlich keine Livingstones sind, weil Granny Helen eine Affäre hatte.“ Glen war über Ian´s Gelassenheit verwundert, fuhr aber dennoch fort. „Dieser Junge wurde später Reitmeister hier auf unserem Gutshof und hieß Luc Perrin. Die Liebesbriefe aus dem Dienstbotenhaus waren tatsächlich von Granny Helen.“ Nun wurde Ian merklich unruhiger, denn er zupfte nervös an seinem Hemdkragen und machte den oberen Knopf auf. Der alte Schotte nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und füllte es sofort wieder auf. „Und was ist jetzt das Interessante daran?“ Glen merkte, wie sehr sein Vater um Fassung rang und machte es kurz. „In einer alten Urschrift wurde bestätigt, dass Angus der Vater von Jamie und Luc war. Das bedeutet, dass du auf jeden Fall ein echter Livingstone bist. Egal wer letztendlich von Beiden dein Großvater war.“
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