Peter König, stellvertretender Bezirksvorsteher in Süd, trug die Gedanken von politischer Seite vor. Es ist eine gute Tradition, dass während dieser Gedenkfeier auch junge Menschen ihre Gedanken vortragen. Das waren diesmal die Schülerin Mara und der Schüler Finn vom Gymnasium Odenkirchen.
König trug im Rahmen einer guten Rede einen wichtigen Gedanken so vor:
„Der Volkstrauertag war ein Tag des Gelöbnisses des „Nie wieder“, wobei dieses Gelöbnis hin und wieder auch zum Ritual erstarrte.
Dies hat sich seit dem letzten Jahr, aber erst recht seit dem 7. Oktober verändert. Jetzt sind wir in vielfältiger Weise gefordert, klare Haltung zu zeigen, Solidarität vor allem mit den Bürgerinnen und Bürgern unserer jüdischen Gemeinde. Es kann doch nicht sein, dass Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land, in unserer Stadt wieder Angst haben müssen. Schlimm genug, dass seit Jahren jüdische Gemeinden rund um die Uhr unter Polizeischutz stehen müssen, erst recht schlimm, wenn die jüdische Gemeinde den Sabbatgottesdienst absagen muss, weil ihre Mitglieder Angst haben, hinzugehen.“
Mara und Finn formulierten ihre Gedanken aus der Sicht junger Menschen:
"Das Bewusstsein und der Respekt gegenüber der Vergangenheit und den Menschen, die ihr Leben in den Weltkriegen verloren haben, ist ein elementarer Bestandteil unserer Identität als Deutsche. Jeder einzelne ist sich der Bedeutung des Ersten und Zweiten Weltkriegs bewusst. Und dennoch war der Begriff „Krieg“ für uns Schüler einen Großteil unseres Lebens mehr ein abstrakter Begriff in der Geschichte unseres Landes als eine nachvollziehbare Realität. Meine Urgroßväter, die beide noch im Zweiten Weltkrieg kämpften und für die dieser Begriff in der Tat die harte Realität war, lernte ich nie kennen. Nur aus Erzählungen meiner Familie weiß ich, wie sehr ihre Kriegserfahrungen sie ihr gesamtes Leben über belastet haben, doch letztendlich übersteigen deren Erlebnisse meine Vorstellungskraft. Wirklich greifbar wurde das Wort „Krieg“ für uns Schüler lediglich durch die Nachrichten aus fernen Teilen der Welt, den Geschichtsunterricht in der Schule oder die Tafel der gefallenen Soldaten der Weltkriege in der Eingangshalle des Hauptgebäudes unserer Schule. Aber nun, innerhalb von zwei Jahren, hat sich dies geändert. Auch wenn es im alltäglichen Leben und in Anbetracht der ständig wechselnden Schreckensnachrichten der Medien, immer wieder unterzugehen droht, herrscht Krieg in Europa. Ein Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Und auch außerhalb Europas, nehmen die Konflikte erneut zu. Denn auch in Israel gibt es erneut Krieg.
Damit wird das Begehen des Volkstrauertages in diesen unruhigen Zeiten wieder aktueller und wichtiger denn je.
Ursprünglich erdacht zum Gedenken an die gefallenen Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, hat dieser Tag im Laufe der Jahre immer mehr an Umfang und Inklusivität gewonnen. Heute gedenken wir nicht nur der Soldaten, sondern allen Opfern von Krieg und Terror auf der ganzen Welt, denn Krieg ist immer schrecklich - ganz egal, wen er betrifft.
Und dies bedeutet, sowohl die Ukrainer, als auch die Israelis und Palästinenser nicht außer Acht zu lassen, welche alle in den letzten Monaten und Jahren große Verluste erlitten haben und sich in einer für uns unvorstellbar schrecklichen Lage befinden, ähnlich der Situation der Zivilbevölkerung während der Weltkriege.
Vor ungefähr einem Jahr forderte die Gewaltherrschaft im Iran ebenfalls das Leben zahlreicher Frauen und Aktivisten. Auch ihrer sollten wir gedenken, denn auch sie hatten den Tod nicht verdient. Als junge Menschen empfinden wir es als ermutigend, dass die derzeitigen Kriege auch in unserer Schule und Gesellschaft Aufmerksamkeit erhalten. Und dennoch, während wir über diese globalen Herausforderungen sprechen, möchte ich einen persönlichen Bezug herstellen.
Mein Großvater ist ein Zeitzeuge der Nachkriegszeit in Deutschland. Seine Erlebnisse, die er mit mir geteilt hat, zeugen von den schmerzlichen und schrecklichen Auswirkungen des Krieges. Die Missstände, der Verlust, aber auch der unbändige Wille, nicht aufzugeben – all das hat er durchlebt und mir mit auf den Weg gegeben. Diese persönlichen Geschichten schaffen eine Verbindung zu den aktuellen Schlagzeilen und machen das Leiden für mich noch greifbarer.
Wenn ich heute mit meinem Großvater über den Krieg spreche, merke ich, dass er Gemeinsamkeiten zwischen den Konflikten erkennt. Trotz unterschiedlicher Zeiten und Orte sind Kriege nämlich immer gleich. Mag sein, dass sie sich in ihrem Umfang oder den Umständen unterscheiden, doch eines bleibt konstant: Kriege können verhindert werden und sie sind niemals eine Lösung. Die Geschichte lehrt uns, dass der Frieden nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich ist. Nur durch Frieden können wir sinnvoll mit Problemen umgehen und gemeinsam eine Lösung finden. Gerade in Verbindung mit dem Volkstrauertag erkennen wir als Schüler, dass die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit nicht nur ein abstraktes Konzept ist, sondern eine lebendige Verpflichtung für unsere Generation. Solange wir uns gemeinsam, Alt und Jung, erinnern können, können wir auch behaupten, respektvoll mit den Verstorbenen umzugehen. Sie verdienen unsere Anerkennung, unsere Gedanken und auch unsere Zuversicht auf Besserung – eine Zuversicht auf Frieden. Möge die Erinnerung an das Erlebte unserer Großeltern und Zeitzeugen ein tiefes Mitgefühl in uns erzeugen und uns dazu bewegen, für eine Welt des Friedens und der Versöhnung einzustehen.
Abschließend möchten wir betonen, wie dankbar wir als Schüler des Gymnasiums Odenkirchen sind, die Gelegenheit zu haben, die Vergangenheit aktiv mitzuerleben. Besonders in Anbetracht unserer bevorstehenden Studienfahrt in der Q2, bei der wir die Gedenkstädte der Konzentrations-/ und Vernichtungslager Auschwitz besuchen werden, eröffnen sich für uns Möglichkeiten, der Vergangenheit zu gedenken und den Toten auf eine tiefgehende Weise Respekt zu erweisen. Derartige Projekte sind wichtig für junge Menschen, die nicht nur die Fakten, sondern die Realität sehen und begreifen wollen.
Wir möchten uns herzlich bei Ihnen allen bedanken. Die Gelegenheit, heute vor Ihnen sprechen zu dürfen, bedeutet uns sehr viel. Ein besonderer Dank geht außerdem an den Heimatverein Odenkirchen für die Organisation dieses bedeutsamen Tages. Ihre Wertschätzung und Zusammenarbeit ermöglichen es uns, die Erinnerung an die Vergangenheit lebendig zu halten."