Wickrather Musikwoche mit Top-Qualität und vollem Haus

Wickrath

Die mehrfach preisgekrönte Jazz-Interpretin Sabine Kühlich | Fotos: Andreas Reitz

„Wir spielen in einem ehemaligen Pferdestall, da sollten wir keinen Mist abliefern.“ Mit diesen augenzwinkernden, aber motivierenden Worten hatte Frans Hamelers sein Salonorchester „Die Ohrwürmchen“ schon bei den Proben zu Spitzenleistungen herausgefordert.

Dasselbe Motto hatten sich offensichtlich – bewusst oder unbewusst – alle Künstler der 34. Wickrather Musikwoche vom 23. bis 30. März zu eigen gemacht, denn die künstlerische Qualität war das exakte Gegenteil von „Mist“, was der begeisterte Applaus des Publikums bezeugte.

Wie schon im Vorjahr lockten gleich sechs Konzerte zahlreiche Wickrather und zugereiste Gäste zu der traditionsreichen Veranstaltung des Heimat- und Verkehrsvereins. Den Auftakt bildete am Sonntag das bewährte „Trio varié“, bestehend aus Peter Fett (Bratsche, Klarinette, Saxofone), Maren Winkelmann (Violine, Fagott) und Gabriele Froitzheim (Klavier). Diesmal lag der Fokus nicht so sehr auf klassischen Stücken, sondern französischen Chansons, Jazz-Standards, Wienerlied und beliebten Musical-Melodien, wie immer beschwingt und charmant vorgetragen. Die unterschiedlichen Instrumentierungen sorgten für abwechslungsreiche Klangfarben, die das Publikum im evangelischen Gemeindehaus in beste Laune versetzten.
 
Der Montag markierte den Auftakt der Konzerte in besagtem Nassauer Stall, zu dem das „Sabine Kühlich Trio“ antrat: Alex Morsey (Bass), André Spajic (Schlagzeug) und eben die mehrfach preisgekrönte Jazz-Interpretin Sabine Kühlich. Die in Gera geborene Musikerin studierte Jazz-Gesang in Amsterdam und New York und unterrichtet in diesem Fach nun selbst. Wenn auch der Abend unter der Überschrift „Chansons & More“ stand, ließ sich die Liebe der drei Vollblutmusiker zum Jazz nicht verheimlichen. Das warme Timbre Sabine Kühlichs und die entfesselten Instrumentalsoli von Morsey und Spajic ließen die Zuhörer ihr Kommen zu keinem Zeitpunkt bedauern: „Non, je ne regrette rien“. Ermöglicht wurde das Engagement des Trios für die Musikwoche durch die Stiftung Jürgen Kutsch. Sie fördert Bildung, Kunst und kulturellen Dialog sowie Jugendarbeit und hilft benachteiligten Menschen bei der Integration in die Gesellschaft.
 
Ein Heimspiel hatte am Dienstag das Wickrather Duo „Alla Breve“ aus Vater Michael Lutz am Akkordeon und Sohn Daniel an der Violine. Furios startete Daniel Lutz mit der technisch höchst anspruchsvollen „Partita D-Moll“ von J. S. Bach. Beide Instrumente harmonierten dann meisterhaft zu getragenen Arien von Händel, flotten Walzern von Strauß und zackigem Tango von Piazzolla. Für einen besonderen Höhepunkt des Abends sorgte als Überraschungsgast ein weiterer Spross der Musikerfamilie: Der 14-jährige mehrfache Preisträger von „Jugend musiziert“ Waldemar Lutz brillierte am Akkordeon mit 3 Sätzen aus der Suite Nr. 3 von Zolotarjov. Dem Publikum wurde schwindlig von dem rasenden Tempo, mit dem die Finger in traumwandlerischer Sicherheit über die Tasten und Knöpfe huschten. Ein donnernder Applaus verabschiedete die drei Vollblutmusiker und die liebenswürdig moderierende Mama Tanja Lutz.

Für das Salonorchester „Die Ohrwürmchen“ waren am Mittwoch kleinere Umbauarbeiten im Nassauer Stall nötig. Bis alle Streicher, Bläser, Keyboard, Schlagzeug, Akkordeon sowie der Dirigent ausreichend Platz gefunden hatten, mussten einige Stühle umgeräumt werden. Auch wenn Dirigent Frans Hamelers aus gesundheitlichen Gründen in seiner Beweglichkeit eingeschränkt war, so entlockte er mit großer Hingabe seinen Musikern doch quicklebendige Operettenmelodien mit Schwerpunkt auf Werken von Franz Lehár. Ein besonderes Highlight war Deli Kaumanns, die – sonst an der ersten Violine – im gefühlvollen "Wolgalied" mit einem glockenklaren Sopransolo überzeugte. Auszüge aus „My fair Lady“ beschlossen einen vergnüglichen Abend und gaben den ein oder anderen „Ohrwurm“ mit auf den Heimweg.

Jutta Koch & die JazzPeppers eroberten am Donnerstag das Publikum im Sturm. Dank vieler Jahrzehnte Bühnenerfahrung fand die charismatische Protagonistin sofort einen Draht zu ihren Zuhörern und ließ die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum zunehmend verschwimmen. Besonders spannend: Die oft mehr als 100 Jahre alten Jazzklassiker wirkten je nach Interpretation ganz unterschiedlich – mal rauchig und kraftvoll durch Jutta Koch, mal cooler und intimer durch ihren Mann Uwe Koch, der auch das Keyboard bediente. Immer wieder hielt es einzelne Zuhörer nicht auf den Stühlen und eine improvisierte Tanzfläche poppte neben der Bühne auf. Für einen der Höhepunkte des Abends sorgte dann jedoch Saxophonist Erich Ermeding, im Zivilberuf Gladbacher Augenoptiker in 4. Generation. Er erweiterte seinen potentiellen Kundenstamm, indem er einen Stuhl im Publikum erklomm und dort ein röhrendes Solo hinlegte, so dass den Gästen drumherum Hören und Sehen verging. „It´s wonderful“ – schon das Eröffnungsstück eignete sich als passende Überschrift für diesen denkwürdigen Abend.
 
Das musikalische Schaulaufen fand am Sonntag seinen festlichen Abschluss mit dem Singen der Chöre. Den Nachmittag im rappelvollen Gemeindezentrum eröffnete der Chor „Cantare“ mit geistlichen Liedern und dem „Das klinget so herrlich“ aus der „Zauberflöte“. Bei „Meine Zeit steht in deinen Händen“ beeindruckte das gekonnte Wechselspiel von sanften und kraftvollen Parts.

13 Mädchen und Jungen des Kinderchors „crescendos“ trugen zwei muntere Stücke aus dem Singspiel „Jona“ vor, bevor es international wurde. Die mutigen, jungen Solistinnen und Solisten meisterten die schwierigen Passagen auf Spanisch („Un poquito cantas“) und sogar Zulu („Masithi Amen“) bravourös und holten sich dafür tosenden Applaus des begeisterten Publikums ab.
 
Auch der dritte vom evangelischen Kirchenmusiker Jens Ebmeyer geleitete Chor „TonArt“ wusste mit modernen geistlichen Liedern zu überzeugen. Das „Hallelujah, Salvation and Glory“ begann zart, weitete sich dann aber zu einem opulenten, mehrstimmigen Lobpreis. „Freedom is coming“ verflocht die unterschiedlichen Stimmen zu einem anspruchsvollen, polyphonen Gewebe.
 
Das traditionell in florale Volkstracht gewandete Folkloreensemble „Katjuscha“ unter Leitung von Tanja Lutz am Akkordeon setzte diesmal eher auf schwermütige Melodien wie etwa mit dem melancholischen „Die dunkle Moldawierin“, das eine Liebe in Zeiten des Krieges beschreibt. Großartig waren auch hier die Leistungen der verschiedenen Solistinnen, für die das Ensemble zum Backgroundchor umfunktioniert wurde. Am Schluss mussten die Zuhörer aber nicht auf das überaus beliebte „Kalinka“ verzichten.
 
Der Gesangsverein „Eintracht“ Wickrathberg musste kurzfristig grippebedingt seinen Dirigenten H. J. Fröschen ersetzen. Zum Glück war Jens Ebmeyer bereit, in die Bresche zu springen und übernahm spontan die Leitung der „alten Säcke“ – so die musikalisch-ironische Selbstbezeichung im ersten Lied der Playlist. Aber Alter schützt vor Sangesfreude nicht – kräftig wie eh und je erklangen „Butterfly“, der Shanty „Wellerman“ und das „Altbierlied“.
 
Zum Abschluss präsentierte der Frauenchor „Grenzland“ mit Dirigent Gerd Faßbender ein abwechslungsreiches Crossover-Programm mit populären Titeln von Udo Jürgens, Louis Armstrong und ABBA. Den Nachmittag beendete ein knackig vorgetragener „Chattanooga Choo choo“.

Der Dank von Vorstandsmitglied Uli Schröders galt der gastgebenden Ev. Gemeinde und Pastorin Esther Gommel-Packbier, in deren Räumlichkeiten man immer gerne einkehre. Mit den Spenden des Nachmittags wird eine stabile Sitzbank finanziert, auf der die Besucher vor dem Gemeindezentrum schon einmal probesitzen durften. Ein großes Dankeschön ging auch an die Vorstandsmitglieder Norbert Degen, Kurt Eitel und Uli Schröders, die die Musikwoche professionell organisiert hatten und schon bald mit Schwung die Vorbereitung der 35. Musikwoche in Angriff nehmen werden.



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