Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (26)

„Ian bist das das?“ Betty beugte sich schlaftrunken aus dem Ohrensessel nach vorne und starrte mit aufgerissenen Augen zur Eingangspforte. „Nein, ich bin`s Fiona, die Verlobte von Ian und ich bringe ihnen eine Tasse Kaffee. Sie sind doch sicher ganz erschöpft von der langen Reise und brauchen erst einmal eine Stärkung. Schön sie endlich kennenzulernen!“ Die Bäckerin setzte sich in den zweiten Sessel am Kamin und streckte freundschaftlich ihre rechte Hand nach Betty aus. „Oh…hallo Fiona! Ian ist verlobt? Das…das wusste ich gar nicht. Wie schön für ihn, das freut mich sehr.“ Betty kramte in ihrer Handtasche herum, ohne wirklich zu wissen, was sie suchte. Ihr war die Situation sichtlich unangenehm und sie versuchte den Umstand zu kaschieren. „Ich glaube ich kann doch nicht länger bleiben. Es ist wohl besser, wenn ich mir ein Taxi rufe und zurück ins Dorf fahre.“ Betty sprang wie von der Tarantel gestochen auf und taumelte ein wenig. „Hoppla, warum haben sie es denn jetzt so eilig? Setzten sie sich lieber wieder hin und genießen sie zuerst den heißen Kaffee. Sie sind doch gerade erst angekommen und haben Peggy noch gar nicht gesehen. Ruhen sie sich doch zuerst ein bisschen aus, dann können wir immer noch ein Taxi rufen.“ Betty folgte dem Rat der Bäckerin und ließ sich wieder zurück in den Ohrensessel fallen. Sie kam sich prompt ein bisschen kindisch vor und schämte sich für ihr Verhalten. „Ach Fiona, es tut mir leid, dass ich so unhöflich war. Ich freue mich auch sie kennenzulernen. Ich bin Betty, die Mom von Alice und Ellen!“ Die beiden Frauen saßen sich nun gegenüber und schauten sich respektvoll an. Dann schüttelten sie sich ihre Hände und die Situation entspannte sich augenblicklich. „Sie kennen sicher unsere verworrene und etwas komplizierte Familiengeschichte. Ich bin Alice und Ellen´s leibliche Mutter und Glen´s Stiefmutter. Die Mutter von Glen starb bei seiner Geburt und ich half Ian anfangs mit dem kleinen Fratz. Schließlich verliebten wir uns ineinander und heirateten noch vor Glen´s erstem Geburtstag.“ Fiona nickte. „Ja, das ist mir bekannt. Ian hatte mich noch vor unserer Verlobung in die Familiengeheimnisse der Livingstone eingeweiht. Ich weiß, dass er lange als vermisst galt und sie im Glauben waren, dass ihn das Meer verschluckt hatte.“ Fiona legte ihre Hand auf Betty´s Arm und tätschelte sie sanft. „Das war sicher ein Schock, als sie vor ein paar Jahren erfuhren, dass Ian in Schottland lebt und putzmunter ist.“ Betty schlug die Augen nieder und atmete tief durch die Nase. „Wissen sie Fiona, manchmal macht einem das Leben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Und manchmal bekommt man halt das, was man verdient. Ich war damals nicht ganz ehrlich zu Ian und habe ihn jahrelang mit Alice Vater betrogen. Die beiden Männer waren die besten Freunde und standen sich immer sehr nahe. Doch das was ich Ian damit antat, hatte dieser wunderbare Schotte einfach nicht verdient. Es tut mir auch nach all den Jahren immer noch aufrichtig leid! Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.“ Betty schluchze und holte jetzt ein seidenes Stofftaschentuch aus ihrer kleinen Handtasche. Ian stand schon ein paar Minuten in der Türe und hatte Betty´s letzte Worte mitbekommen. Beklommen lehnte er sich gegen den Holzrahmen und dachte an vergangene Zeiten.

Als Alice ins Kinderzimmer kam, hörte sie ihre Tochter bereits brabbeln und erzählen. Der Goldschatz war erfreulicherweise schon wach und beschäftigte sich mit den unzähligen Stofftieren und der kleinen Spieluhr, die in ihrem Bettchen lagen. Als sie ihre Mutter sah, strampelte sie aufgeregt mit den Beinchen und ruderte mit den Armen. „Hallo meine Süße! Du bist ja schon wach und so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Du wirst nicht glauben, wer extra wegen dir den langen Weg nach Schottland gemacht hat. Deine Oma Betty ist zu Besuch bei uns.“ Peggy machte kleine Blubberblasen und versuchte sich so ihrer Mom mitzuteilen. Dabei strahlte sie über´s ganze Gesicht. Alice hob die kleine Maus aus dem Bettchen und wechselte ihr erst einmal die Windel. Dann holte sie einen sauberen Strampler aus dem Schrank und zog ihr das rosa Strickjäckchen über. Zum Schluss strich sie ihrer Tochter mit einer weichen Bürste über den wenigen Flaum auf ihrem Köpfchen „Wir wollen doch, dass du einen super Eindruck auf deine Granny machst und sie sich sofort in dich verliebt. Es wäre so schön, wenn sie ein paar Tage bei uns ausspannt und dich besser kennenlernen würde. Vielleicht können wir sie sogar überreden, bis zu deiner Taufe zu bleiben. Na was meinst du dazu Peggy?“ „Das halt ich für keine gute Idee Alice.“ Erschrocken drehte sich die junge Frau auf dem Absatz um und sah, dass Ian ins Zimmer gekommen war. Seine sonst so fröhlichen Augen waren trübe und leer. Es sah so aus, als hätte er geweint. „Was meinst du damit Ian? Habt ihr euch etwa schon gestritten?“ Der alte Schotte ließ sich auf den weichen Sessel am Fenster nieder und blickte gedankenverloren nach draußen. „Nein Alice, wo denkst du hin? Ich habe noch nicht einmal mit Betty gesprochen. Fiona hat sie begrüßt und ihr einen Kaffee gebracht. Als ich auf dem Weg in den Stall am Kaminzimmer vorbei kam, da habe ich etwas gehört, was nicht für meine Ohren bestimmt war. Ich bin verwirrt Alice, denn ich glaube, ich liebe deine Mutter immer noch!“



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