Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (27)

Die beiden Frauen im Kaminzimmer hatten sich unterdessen bereits schon sehr gut angefreundet und plauderten ohne Unterlass. Fiona hatte zum Kaffee noch eine Flasche Whisky aus dem alten Sekretär geholt und mit ein paar Handgriffen schnell einen Irish Coffee gezaubert. „An einem kühlen Winterabend schmeckt Kaffee mit Schuss einfach am besten. Aber am Morgen ist er genauso köstlich. Unwiderstehlich lecker, wie ich finde!“ Betty lachte und strich sich die Sahne von der Oberlippe. Fiona kicherte ebenfalls in ihre Tasse hinein und stimmte der alten Irin zu. „Da hast du vollkommen Recht Betty. Aber sag mal, wie ist denn jetzt dein Plan? Bleibst du nun ein paar Tage hier bei uns oder willst du immer noch postwendend nach Irland abdüsen? Alice kommt sicher gleich mit Peggy herunter. Sie ist wirklich zuckersüß und du wirst dich sofort in sie verlieben.“ Betty stellte ihre Tasse vorsichtig auf den Unterteller und suchte nach den richtigen Worten. „Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht genau, was ich machen soll. Ich möchte mit meiner Anwesenheit hier niemandem auf die Füße trete. Und schon gar nicht dir und Ian zu nahe kommen.“ Sie machte eine kurze Pause und beobachtete Fiona´s Reaktion. „Er ist sicher nicht sehr erfreut darüber, dass ich hier so plötzlich aufgetaucht bin. Und das so kurz vor eurer Hochzeit! Das war ein kindischer Schnellschuss von mir und nur, weil Ellen mich nicht gefragt hatte, ob ich mit nach Schottland komme. Zu dumm die ganze Sache.“ Betty´s Blick schweifte durch das Kaminzimmer, das auch nach all den Jahren immer noch als Bibliothek und Schreibzimmer fungierte. Ums Herz wurde es ihr ein wenig schwer. Sie schämte sich, dass sie damals die Dreistigkeit besessen und Ian dazu überredet hatte, mit ihr wieder zurück nach Irland zu gehen. „Ach, mach dir da mal keine Sorgen. Ian wird sich schon wieder beruhigen und dich später noch begrüßen. Er hat durch unseren Weihnachtsmarkt ein bisschen mehr zutun als sonst. Zudem muss er sich auch noch um unsere zwei neuen Pferde kümmern, die gestern angekommen sind. Ich fände es schön wenn du noch bleibst, du gehörst doch schließlich zur Familie.“ Fiona lehnte sich zurück und fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie hatte den Irish Coffee am Morgen doch leicht unterschätzt und goss sich etwas Wasser in ein Glas. Oder war es etwa das vertraute Gespräch mit Betty, was ihr die Hitze auf die Wangen trieb? Dann fiel ihr aber ein, dass sie noch gar nichts gefrühstückt hatte und nahm sich zusätzlich noch einen Muffin vom Teller. Dann flog plötzlich die Türe auf und Alice stand mit Peggy im Raum. „Schau mal Mom, wer dich frisch gewickelt und gut gelaunt begrüßen möchte! Unsere Zuckerschnute ist heute Morgen ausgesprochen gut drauf und konnte es gar nicht abwarten dich kennenzulernen.“ Betty sprang augenblicklich von ihrem Sessel auf und stand Alice kerzengerade gegenüber. „Hallo meine Süße, endlich kann ich dich in die Arme schließen und an mein Herz drücken. Ich bin deine Granny und hab dich ganz doll lieb. Oh…ich war so töricht, dass ich nicht schon eher zu dir gekommen bin. Du bist ja niedlich!“ Betty musste schluchzen, versuchte aber tapfer ihre Tränen runterzuschlucken. Liebevoll nahm sie ihre Enkelin auf den Arm und küsste sie auf die Stirn. Fiona schlich sich unterdessen leise aus dem Zimmer und überließ das Feld nun Mutter, Tochter und Enkelin.

Ian türmte übermütig ein paar Heuballen aufeinander und kam dabei ganz schön außer Atem. Er brauchte unbedingt einen klaren Kopf und musste wieder zur Besinnung kommen. So ein Gefühlschaos war ihm schon lange nicht mehr passiert und verunsicherte ihn sehr. Was spielte sich denn da in seinem Kopf ab? War er nun von allen guten Geistern verlassen? Glen war seinem Vater zwischenzeitlich unauffällig in den Stall gefolgt, als dieser vor ein paar Minuten rasanter als sonst über den Hof gelaufen war. So aufgeregt hatte er ihn schon lange nicht mehr erlebt und war daher ein wenig beunruhigt. „Hey Dad, was ist los mit dir? Willst du einen neuen Rekord im Heuballen stapeln aufstellen oder was ist dir über die Leber gelaufen?“ Der alte Schotte hielt einen Moment Inne und schaute seinen Sohn fragend an. „Was meinst du damit Junge? Ich bin doch wie immer! Die Stallarbeit macht sich nicht von selbst, auch wenn wir einen Weihnachtsmarkt auf dem Gut haben.“ Glen hatte sich an die verrostete Stalltüre gelehnt und schaute seinen Vater schmunzelnd an. „Mach mir doch nichts vor, alter Mann. Dafür kenne ich dich zu gut. Ich weiß, dass da was im Busch ist, was dir überhaupt nicht in den Kram passt. Komm sprich mit mir! Betty´s ungeplante Ankunft hat dich ganz schön aus der Bahn geworfen. Stimmt´s?“ Der alte Schotte hielt inne und setzte sich auf das gebündelte Gras. Er ging sich mit dem Ärmel seiner Jacke über die verschwitzte Stirn und schnaufte. „Das kannst du laut sagen. Ich bin zuerst total wütend gewesen, dass sie nach all den Jahren hier so einfach wieder aufgetaucht ist. Doch dann wurde ich an die alten Zeiten mit ihr erinnert und geriet sofort wieder in Verzückung. Ich glaube ich habe immer noch Gefühle für Betty und das macht mich total irre. Was stimmt nicht mit mir Glen? Ich will in ein paar Tagen meine geliebte Fiona heiraten und schwärme von einer Frau, die mich hintergangen und betrogen hat. Ich hatte gehofft, dass ich sie nie wieder sehen muss, doch da habe ich mich wohl getäuscht.“ Glen ließ sich ebenfalls auf einen der Heuballen nieder und schaute seinen Vater verwundert an. Ihm blieb vor Erstaunen die Spucke weg und er konnte zuerst nichts erwidern. Das musste er erst einmal verdauen. Doch dann schüttelte er sich wie ein nasser Hund und kam wieder zur Besinnung. „Was soll das heißen Dad, du hast noch Gefühle für Betty? Das kann ich ehrlich gesagt nur schwerlich glauben. Du willst mich doch verkohlen!“

Glen schlug sich auf den rechten Oberschenkel und sprang plötzlich auf. Unaufhaltsam tigerte er durch den Stall und war sich plötzlich der Ernsthaftigkeit sehr bewusst. „Nein mein Junge, ich will dich nicht verkohlen. Es ist mein voller Ernst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Fiona noch heiraten kann! Was ist, wenn ich beide Frauen liebe?“



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