Eine Kolumne von Thordis (10)
Der riesengroße Topf mit heißem Wasser stand bereits schon seit zwanzig Minuten auf dem Herd und blubberte unaufhörlich. In Windeseile formte Alice aus dem klebrigen Nudelteig kleine Schlangen und warf sie schwungvoll in die kochende Flüssigkeit. Etwas Wasser spritze dabei auf die Herdplatte, tanzte wenige Sekunden auf der Glasoberfläche, bevor es dann mit einem lauten Zischen für immer verdampfte. Peggy saß unterdessen in ihrem Laufstall, den Glen vor wenigen Tagen in der Küche aufgebaut hatte und unterhielt Alice mit ihrem Gebrabbel. Der kleine Spatz konnte nun schon selbständig sitzen und beschäftigte sich mit den vielen Spielsachen, die kreuz und quer verstreut waren. Vergnügt drehte Peggy an den vielen Knöpfen, die am Gitter des Laufstallt angebracht waren und beobachtete gespannt wie die süßen Schäfchen an ihrem Mobile auf und ab sprangen. Als Alice ihr eine Kusshand zuwarf, lachte sie herzhaft und wedelte aufgeregt mit ihren Ärmchen. „Mh…das duftet aber lecker Alice. Was hast du schönes gezaubert? Hier riecht es wie in einer italienischen Küche auf Sizilien. Gibt es heute etwa Nudeln mit Tomatensoße zum Mittagessen? Meine Nase hat mich noch nie im Stich wenn`s ums Essen geht.“ Ian kam in die Küche gestiefelt und rieb sich genüsslich den Bauch. Alice musste lachen und schaute ihren Schwiegervater prüfend an. „Ich hoffe du hast genug Hunger Ian, denn ich habe mich mit den Zutaten wohl etwas verschätzt. Wir haben so viele frische Tomaten im Garten, dass ich fast alle gepflügt habe. Jetzt kann es sein, dass wir eine Woche lang Nudeln und Tomatensauce essen müssen.“ Ian schaute in den Topf und ihm lief schon beim bloßen Anblick der Speisen das Wasser im Mund zusammen. „So ein Zufall Liebes, ich habe einen Bärenhunger mitgebracht. Mal sehen ob noch etwas für Glen übrig bleibt. Bei frischer Tomatensauce kann ich einfach nicht NEIN sagen. Die reicht bestimmt keine Woche.“ Ian lachte herzlich und wandte sich dann seiner Enkelin zu. „Hallo meine kleine Knuddelmaus, komm doch mal zu Grandpa auf den Arm. Dein fröhliches Stimmchen hört man im ganzen Haus. Es ist so herzerwärmend, denn du bist immer so gut drauf und hast nie schlechte Laune.“ Peggy riss ihre Äugelchen weit auf und bekam sich fast nicht mehr ein, als Ian sie aus dem Laufstall nahm. Sie quiekte und jauchze vor Freude, dass Ian´s rechtes Ohr anfing zu klingeln. Peggy hatte sich sofort Opas Nase geschnappt und drehte sie mit einem gekonnten Griff in alle Richtungen. Der Schotte schrie leise auf und das kleine Mädchen lachte vor Vergnügen. Grandpa zu sein war das größte Geschenk für den alten Schotten und er genoss jede freie Minute mit seiner Enkeltochter. Wie gerne würde er für immer auf dem Gut wohnen, denn er konnte sich einen Tag ohne den fröhlichen Spatz gar nicht mehr vorstellen. Doch wie sollte er seinem Sohn und seiner Schwiegertochter erklären, dass er jetzt doch in das kleine Dienstbotenhäuschen ziehen wollte? Aber er wusste gar nicht, ob das überhaupt noch möglich war und schob seine Gedanken bei Seite.
Fiona Black hatte sich für den Nachmittag bei Alice angemeldet und wollte mit ihr den Kuchen für Peggy´s bevorstehende Taufe besprechen. Mit Robert O´Neill im Schlepptau stand sie dann pünktlich zur Teezeit auf der Matte des Gutshofs und klingelte an der Pforte. „Hallo Fiona, schön dass du so schnell Zeit hattest. Die Kirche ist überraschend schon für nächsten Sonntag freigeworden, sodass wir leider nicht viel Vorlauf für die Vorbereitungen haben. Tut mir echt leid, wenn ich dich damit überfalle.“ Alice begrüßte die Freundin herzlich und schaute sie dann etwas verwundert an. „Ah…. und wie ich sehe, hast du Verstärkung mitgebracht. Sie sind sicher Robert! Richtig?“ Alice hielt dem kleinen, knubbeligen Mann mit dem rosa Polohemd ihre Hand hin und setzte ihr schönstes Lächeln auf. „Ja genau Mrs. Livingstone. Ich bin der zukünftige Ehemann von diesem wunderbaren Prachtweib und wollte mich mal persönlich bei Ihnen vorstellen. Wir werden ja bald Nachbarn sein und sozusagen Tür an Tür wohnen. Da kann eine kurze Unterhaltung im Vorfeld nicht schaden.“ Robert O`Neill hielt sich den Bauch und stieß einen eigenartiges Grunzen aus, das ein bisschen an ein Lachen erinnerte. Fiona blickte Alice peinlich berührt an und schob ihren Verlobten in die Eingangshalle. „Ach Robert, du fällst immer mit der Türe ins Haus und überraschst deine Mitmenschen mit deinen vorschnellen Worten. Wir wollen jetzt mal nicht die Pferde scheu machen, denn soweit ist es noch lange nicht. Warten wir erst einmal ab, was Alice und Glen dazu sagen.“ Fiona hatte hektische Flecken im Gesicht bekommen und flüsterte der Freundin schnell eine Entschuldigung ins Ohr. „Ach, das ist doch nicht schlimm Fiona. So etwas kenne ich von Ian auch. Du weißt doch, der hat auch immer einen flotten Spruch auf den Lippen und plappert manchmal einfach drauflos ohne nachzudenken. Lasst uns doch ins Wohnzimmer gehen, der Tee ist gleich fertig.“
Als Peggy den fremden Mann aus der Ferne erblickte, fing sie augenblicklich an zu weinen und konnte nur unter großer Mühe von Alice beruhigt werden. Robert hingegen war sich keiner Schuld bewusst und zuckte verständnislos mit den Achseln. „Komisch, der Neffe von Fiona hat schon an der Türe angefangen zu plärren, als er mich letzte Woche sah. Ich weiß auch nicht, warum die meisten Kinder so komisch auf mich reagieren. Ich bin doch ein ganz netter Kerl.“ Alice schaukelte Peggy im Arm und rollte heimlich mit den Augen. Was war das denn für ein komischer Kauz, den Fiona da angeschleppt hatte. Also mit dem Exemplar sah sie die freundliche Bäckerin auf gar keinen Fall in den Hafen der Ehe einlaufen. Vielleicht sollte sie dem Schicksal doch ein wenig auf die Sprünge helfen und schmunzelte in sich hinein. Da kam ihr Schwiegervater wie gerufen. „Wer weint denn hier so herzzerreißend? Das kann doch unmöglich mein kleiner Sonnenschein sein. Was ist denn nur passiert Alice?“ Ian kam aufgeregt durch die Eingangshallte gelaufen und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, als er Fiona erblickte. Sein sonst so blasses Gesicht lief auf einmal rot an und er schnappte hastig nach Luft. „Oh…Fiona….hallo. Das ist aber eine Überraschung, du hier. Tut mir leid Alice, ich wusste nicht, dass du Besuch hast. Ich bin schon verschwunden.“ Als der alte Schotte gerade auf dem Absatz kehrt machen wollte, erblickte er in der Ecke des Raumes Robert O`Neill und erstarrte erneut. Augenblicklich wurde es still in dem alten Gemäuer und eine unbehagliche Energie quetschte sich durch alle Ritzen. Nur das leise Schluchzen der kleinen Peggy war zu vernehmen. Robert fletschte die Zähne und grinste Ian verhohlen an. Und als sich die Blicke der beiden Männer trafen stieß Ian einen zischenden Laut aus. Er atmete ein und sagte dann mit tiefer Stimme. „Du wagst es tatsächlich, dich auf meinem Hof blicken zu lassen? Du elender Verräter, verlasse sofort mein Grund und Boden. Oder dieser Besuch wird uns alle nicht in guter Erinnerung bleiben.“