Eine Kolumne von Thordis (29)
„Hallo Ian, endlich sehen wir uns wieder, nach all den Jahren. Ist ganz schön lange her…..“ Betty verschränkte schüchtern ihre Arme hinter dem Rücken und kam sich wie ein Schulmädchen vor, dass ins Direktorenzimmer gerufen wurde. Sie suchte nach den richtigen Worten und fand sie schließlich. „Es tut mir leid, dass ich so unangemeldet bei euch reingeplatzt bin, aber ich wollte Peggy jetzt endlich mal kennenlernen. Sie soll doch schließlich wissen, wer ihre Granny aus Irland ist.“ Betty trat einen Schritt zurück, denn die Mittagssonne schien in ihren Augen. „Sie ist noch süßer als auf den Fotos, die Alice mir geschickt hat. Ich habe mich sofort in sie verliebt.“ Ian machte ein abweisendes Gesicht und wollte schon an ihr vorbei gehen, doch dann entschied er sich stehen zu bleiben. „Hi Betty! In der Tat, es ist lange her und für mich hätte das auch so bleiben können. Aber Peggy sollte wenigstens einmal in ihrem Leben ihre Granny aus Irland gesehen haben. Wie lange bleibst du in Schottland?“ Mit dieser Antwort hatte Betty in der Tat nicht gerechnet und sie erschrak. Für einen Moment wusste sie nicht was sie darauf erwidern sollte, konnte Ian´s Reaktion aber gut verstehen. Sie schwieg immer noch, als Ian sich von ihr abwandte. Dann sagte sie leise und in sich gekehrt. „Ich bin schon auf dem Weg nach Aberdeen und nehme heute Abend noch einen Flug nach Dublin. Es war dumm von mir zu glauben, wir könnten das Kriegsbeil begraben.“ Sie wollte schon auf dem Absatz kehrt machen, da mischte sich Fiona in das Gespräch ein. „Leute, das darf doch jetzt echt nicht wahr sein. Da gibt es ein kleines Mädchen, was dieses Wochenende gefeiert wird, da sollten doch wirklich alle Großeltern dabei sein. Betty bleib wenigstens bis Peggy`s Taufe. Die ist doch schon Übermorgen und ist ein einmaliges Ereignis. Meint ihr nicht auch, dass die Vergangenheit endlich ruhen sollte? Was sagst du dazu Darling?“ Ian schaute Fiona fragend an und zog seine rechte Augenbraue hoch, so wie er es immer machte, wenn er etwas suspekt fand. Er zerrte seine Liebste zur Seite und wisperte ihr etwas ins Ohr. „Aber Liebling, das kommt jetzt aber doch ein bisschen spontan und passt mir eigentlich überhaupt nicht in den Kram. Wir haben den Umzug zu bewältigen, der Weihnachtsmarkt macht gleich auf und für die Taufe am Sonntag müssen wir auch noch so einiges vorbereiten. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Du weißt doch warum ich damals wieder hierher zurückgekehrt bin.“ Fiona lächelte ihren Schotten verliebt an und nickte zustimmend. „Ja Liebster, ich weiß, aber sehe es doch mal so. Das ist doch für dich die einmalige Chance mit der Vergangenheit endlich reinen Tisch zu machen und dich mit Betty auszusprechen. Ihr habt schließlich eine gemeinsame Tochter, die sicher nichts dagegen hätte, wenn ihr Eltern wieder miteinander reden. Dann bist du auch frei von allen Altlasten und frei für UNSERE gemeinsame Zukunft.“ Ian kratzte sich an der Stirn und überlegte. Was Fiona sagte, hatte immer Hand und Fuß. Das war einer der vielen Gründe, warum der alte Schotte diese Frau so sehr liebte. Die Gefühlsduselei von eben war Schnee von gestern, er war wieder in der Realität angekommen. „Du hast wie immer Recht Darling und ich danke dir für deine klugen Worte. So habe ich das ehrlich gesagt noch gar nicht gesehen. Aber wie sollen wir das anstellen? Es ist noch so viel zu tun und vorzubereiten!“ Fiona blinzelte verschmitzt in die Sonne und ging ein Stück auf Betty zu. „Ich mache uns jetzt erst einmal einen schönen heißen Grog, den wir in aller Ruhe bei uns in der Stube trinken. Es sieht in unserem Häuschen zwar etwas chaotisch aus, doch ich werde schon ein ruhiges Plätzchen finden, wo ihr beide ungestört über alles reden könnt. Ihr solltet endlich Frieden schließen. Ich kümmere mich weiter um den Umzug und die vielen Kisten, die noch auszupacken sind. Schließlich ist doch bald Weihnachten, das Fest der Liebe.“
Ellen und Patrick waren von Glen an diesem Wochenende für den „Hüttenzauber“ mit heißen Getränken eingeteilt worden und machten sich kurz vor der Öffnung des Weihnachtsmarktes auf den Weg in die kleine Holzhütte. Schwer beladen schloss Patrick die Türe auf und stellte die Kisten in eine Ecke. „Bleibt deine Mom jetzt doch noch bis zur Taufe? Ich dachte dein Dad wollte sie nicht auf dem Gut haben. Muss ja ein Schock für ihn gewesen sein, als sie plötzlich vor ihm stand.“ Patrick schaltete den kleinen Heizofen an und sortierte ein paar Milchpäckchen in das winzige Regal ein. Ihm kam es gelegen, dass er mit Ellen heute die heißen Getränke auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen sollte. So konnte er ein bisschen Zeit mit ihr verbringen und ihre Nähe genießen. „Ich glaube zuerst war er in der Tat nicht begeistert davon, aber unsere liebe Fiona hat ein bisschen vermittelt und ihn schließlich besänftigt. Ich fände es schön, wenn die alte Fehde zwischen den Beiden endlich begraben wird. Ich stand in all den Jahren immer zwischen den Stühlen und fand das nicht lustig.“ Ellen machte einen Schritt zur Seite um ein paar Keramikbecher aus einem Karton zu fischen und wäre beinah in Patrick´s Arme gefallen. „Ups, sorry! Ist doch ein bisschen eng hier in der Hütte. Ich wollte dir nicht zu nahe kommen, hab nur mein Gleichgewicht verloren.“ Augenblicklich überzog ein leichtes Rosa Ellen´s zartes Gesicht und sie versteckte es schnell hinter ihrem Schal, den sie sich bis über die Nase zog. „Ist ganz schön kalt hier drin. Ich glaube ich stelle das Heizöfchen ein bisschen höher.“ Patrick schmunzelte belustigend und trat ein wenig zur Seite. „Ich finde es ehrlich gesagt schön, wenn du mir zu nahe kommst und hätte in der Tat nichts dagegen, wenn wir uns heute noch öfter auf die Füße treten. Glaubst du nicht auch, dass es Schicksal war, dass wir uns nach all den Jahren ausgerechnet hier treffen?“
Patrick öffnete seine Daunenjacke, denn augenblicklich wurde ihm heiß ums Herz. Ellen lachte nervös! „Ich glaube nicht an Schicksal, sondern daran, dass meine liebe Schwester und ihr Gatte ihre Hände im Spiel hatten. Die Beiden wissen, dass es zurzeit in meiner Ehe nicht so gut läuft und ich ein bisschen Abwechslung dringend nötig habe. Der Weihnachtsmarkt und Peggy´s Taufe sind ein guter Anlass, mich aus meinem gewohnten Trott zu reißen.“ Ellen sprach nicht mehr weiter, denn sie wurde von ihren Gefühlen übermannt. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und weinte bitterliche Tränen. Die ersten Marktbesucher schlenderten bereits schon über den Hof, störten sich aber nicht daran, was gerade in der kleinen Hütte vor sich ging. Behutsam nahm Patrick seine große Liebe in die Arme und drückte sie ganz feste an sich. Er spürte immer noch diese tiefe Verbundenheit und war froh, Ellen in dieser schwierigen Situation trösten zu können. Eine Zeit lang verharrten die Beiden so und sprachen kein Wort. Ellen schmiegte sich selig an Patricks Brust und roch sein markantes Aftershave, welches immer noch das gleiche wie vor zehn Jahren war. Sie mochte den Duft damals schon und fühlte sich in die Vergangenheit versetzt. Vertraute Empfindungen stiegen plötzlich in ihr auf und sie spürte ihre Leichtigkeit wieder, die sie so lange vermisst hatte. „Danke, dass du da bist. Ich fühle mich immer noch sicher und geborgen in deinen Armen, denn ich weiß, bei dir kann mir nichts Schlimmes passieren. Fast kommt es mir vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ist das wirklich alles vor zehn Jahren passiert?“ Patrick küsste Ellen´s Haare und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. „Für mich ist es auch so, wie damals. Ich habe niemals aufgehört dich zu lieben und werde es auch bis ans Ende meiner Tage nicht tun. Den Fehltritt an meinem Junggesellenabschied habe ich teuer bezahlt, denn ich habe die Frau meines Lebens verloren. Das bereue ich jeden verfluchten Tag und wünschte mir jeden Tag, ich könnte es ungeschehen machen.“ Patrick räusperte sich und zog Ellen noch näher an sich heran.