Tweed, Shortbread und Haggis

Aus der Region

Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (35)

Frisch gestriegelt zogen Jonny und Lenny, die beiden Rappen der Familie Livingstone, die kleine Kutsche über den Innenhof des Gutes. Nach einem kurzen „Brrr“ von Glen blieben sie artig vor dem Haupthaus stehen und erstarrten augenblicklich in ihrer Warteposition. Sie waren prächtig mit bunten Bändern, weißen Blumen und Efeu geschmückt, die Alice und Ellen am Abend zuvor gebunden hatten. Der Plan der beiden Frauen war, dass die Braut feierlich zur Dorfkirche kutschiert und sich dabei wie eine Prinzessin fühlen sollte. Glen atmete die kalte Winterluft tief in seine Lungen ein und seufzte beim Ausatmen leise. Nach dem Gespräch mit seinem Dad, hatte er für den Rest der Nacht kein Auge mehr zugemacht. Die Worte seines Vaters gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf und beschäftigten ihn auch noch am Morgen. Daher war er schon früh in den Stall gegangen und hatte die Rappen mit samt der Kutsche für die Hochzeit vorbereitet. Eigentlich wollten das Alice und Ellen machen, doch das konnte Glen immer noch später mit den beiden Frauen ausdiskutieren, warum das Gefährt schon startklar war. Gedankenverloren saß er immer noch auf dem Bock und blinzelte in die aufgehende Sonne hinein. Was sollte er von der Äußerung seines Vaters eigentlich halten? Das war doch vollkommen verrückt. Oder hatte der alte Schotte ihn etwa nur angeflunkert? Gerne hätte er mit seiner Frau darüber gesprochen, wollte Alice aber nicht unnötig beunruhigen und ihr nicht die Freude auf das heutige Fest nehmen. Plötzlich hörte er, wie jemand mit schnellen Schritten über die Kieselsteine im Innenhof lief. Sein Kumpel Patrick kam auf ihn zugelaufen und hielt ein kariertes Stück Stoff in der Hand. „Mensch Glen, gut das ich dich endlich gefunden habe. Ich such dich schon auf dem ganzen Hof, denn ich bekomme das verdammte Ding nicht an Ian´s Hals. Solltest du nicht eigentlich als sein Sohn dafür verantwortlich sein, dass der Bräutigam pünktlich fertig ist und am besten noch vor der Braut in der Kirche steht? Ich kann dir sagen, der alte Schotte ist tierisch aufgeregt und klappert förmlich mit den Zähnen. So etwas habe ich echt noch nicht erlebt.“ Patrick klopfte dem verdutzten Glen auf die Schulter, zog ihn vom Bock und scheuchte ihn ins Kutscherhäuschen.

Fiona schaute mit gespanntem Blick in den großen Standspiegel im Gästezimmer und konnte prompt ihre Augen nicht von diesem Anblick lassen. Sie war äußerst entzückt über das was sie sah und lächelte verschmitzt. „Ian wird hoffentlich total überwältigt sein und vor Freude kein Wort rausbekommen. Ach, ist das schön! In ein paar Stunden bin ich Mrs. Livingstone und bin dann endlich mit dem liebsten Mann auf der ganzen Welt verheiratet.“ Fiona drehte sich ein paar Mal im Kreis und ließ sich dann auf einen der Sessel am Fenster fallen. Dann klopfte es leise an der Türe und hinein kamen zwei aufgeregt, gackernde Hühner. Alice hatte ein kleines Tablett mit heißem Tee und Gebäck in der Hand, welches sie vorsichtig auf den Tisch stellte. Und Ellen kam mit ihrer kompletten Frisierausstattung und reichlich Makeup ins Zimmer gestürmt. „Guten Morgen liebe Fiona, heute ist dein großer Tag!!!“ Ellen kreischte die Worte in einer ziemlich hohen Tonlage, sodass sich die Braut ihre Ohren zuhalten musste. Lachend fielen sich die Frauen in die Arme und herzten sich. „Oh Fiona, du siehst wunderschön und total elegant aus. Das ist ja unser Familientartan. Woher kennst du den denn?“ Ellen staunte nicht schlecht, als sie die Bäckerin in einem typisch, schottischen Brautkleid sah. Denn über dem schlichten, cremefarbenen Taftkleid trug Fiona eine karierte Schärpe, die mit einer aufwändig gearbeiteten Fibel an der Taille des Kleides befestigt war. „Eins ist dir sicher! Dad wird seinen Mund vor Staunen nicht mehr zubekommen und die Worte werden ihm wahrscheinlich auch fehlen. Hoffentlich kann er wenigsten JA sagen!“ Die drei Frauen vielen abermals in lautes Gelächter und konnten sich nur schwer beruhigen. „Naja, mehr muss er eigentlich auch nicht sagen.“ Ausgelassen tanzten die Frauen ein paar Sekunden im Kreis und hielten sich dabei an den Händen. Dann sah Alice ihre Freundin Fiona mit großen Augen an und war fast den Tränen nah. „Es ist so schön, dass du nun heute mit unserem Dad vor den Traualtar trittst. Das wurde auch wirklich langsam Zeit, denn zur Familie gehörst du ja schon lange, doch heute wird es endlich amtlich. Ich freue mich so sehr für euch und könnte jetzt schon losheulen.“

Aufgeregt knabberte Ian an seinen Fingernägeln und beobachtete seinen Sohn, wie er das karierte Stück Stoff an seinem Hals, zu einer präzise geformten Fliege band. „Dad, zappel doch nicht so rum, sonst bekomme ich das Ding nie an die richtige Stelle. Warum bist so extrem aufgeregt? Das kenne ich gar nicht von dir. Heute ist doch ein fröhlicher Tag, es ist dein Hochzeitstag und nicht deine Hinrichtung.“ Glen versuchte mit seinem flapsigen Spruch die angespannte Stimmung ein wenig aufzulockern, was ihm aber nur schwerlich gelang. „Was redest du denn da für einen Unsinn mein Junge? Wieso sollte ich denn aufgeregt sein? Ich freue mich auf meine Braut und kann es gar nicht abwarten ihr den Ring anzustecken. Ich bin ja nun wirklich die Ruhe in Person.“ Patrick prustete in seine flache Hand und musste sich zur Seite drehen, damit er nicht lauthals anfing zu lachen. „Ian, das halte ich allerdings für ein Gerücht. Denn ich habe noch nie einen so aufgeregten Bräutigam wie dich gesehen. Und glaube mir, ich war in den letzten zehn Jahren auf einigen Hochzeiten. Du bist nicht wirklich die Ruhe in Person. Aber wir sind für dich da und begleiten dich auf deinem schweren Gang.“

Glen trat nun einen Schritt nach hinten und begutachtete sein Werk. „So Dad, die Fliege sitzt jetzt perfekt an deinem Hals. Jetzt musst du nur noch deine Weste und das Jackett anziehen, dann bist du fertig. Es wird dann aber auch höchste Zeit, wenn du der Braut nicht schon vorher über den Weg laufen willst.“ Ian sah an sich herunter und tastete nach der Krawatte an seiner Kehle. Er spürte, dass dort ein dicker Kloß saß, der nicht runter rutschen wollte. „Habe ich sie dir etwa zu eng geschnürt? Ein bisschen kann ich sie dir noch lockern wenn du willst.“ Glen schaute seinen Vater fragend an und zog seine Stirn in sorgenvolle Falten. Doch der alte Schotte blickte nur abwechselnd zu seinem Sohn und dann wieder zu Patrick hinüber. Dann musste er lächeln und ging sich durch den frisch getrimmten Bart. „Nein Glen, sie sitzt perfekt. Danke Jungs, ihr seid perfekt. Kommt, lasst uns gehen. Ich will meine beiden Traumfrauen nicht warten lassen!“



Aus der Region

Aus der Region

Aus der Region

Aus der Region

Aus der Region

Aus der Region

Aus der Region

Anzeigen aus der Region