Tweed, Shortbread und Haggis

Aus der Region

Foto: Thordies

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (41)

Der alte Schotte saß in seinem geliebten, alten Ohrensessel in der Wohnküche und stützte seinen Kopf gedankenverloren auf beide Hände. Er starrte einfach nur ins Leere und murmelte dabei unverständliche Worte. Als Fiona in die Küche kam, war sie erstaunt ihren Liebsten so zu sehen, denn das kannte sie nicht von ihm. „Guten Morgen Darling! Geht es dir gut? Du siehst aus, als wäre dir gerade ein Geist begegnet. Oder heckst du wieder etwas aus, was ich nicht wissen darf?“ Die Bäckerin öffnete lachend die Türe zum Innenhof und ließ die kalte Winterluft in die Stube wehen. „Guten Morgen Liebes! Mir geht es hervorragend, nur habe ich ein paar Gedanken in meinem Kopf, die nicht verschwinden wollen. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, denn ich musste immerzu an gestern Abend denken.“ Fiona befüllte den Wasserkessel und stellte ihn auf den gusseisernen Herd. Dann setzte sie sich auf die Armlehne des Ohrensessels und schlang beide Arme um den alten Schotten. „Ach, ich fand gestern Abend ganz besonders schön und ich freue mich sehr für Ellen und Patrick. Eine Hochzeit ist immer etwas ganz Besonderes und ein schöner Anfang für das neue Jahr. Doch sag schon, was beschäftigt dich? Erzähl´s mir einfach, vielleicht verscheuchst du die trüben Gedanken damit.“ Ian schaute seine Frau liebevoll an und spürte in dem Moment, wie sehr er sie liebte. Dann zog er die Stirn in tiefe Falten und wurde plötzlich sehr ernst. „Ich glaube ich habe einen dummen Fehler gemacht und ich weiß nicht, wie ich ihn wieder ausbügeln kann. Als ich gestern mit Patrick in den Stall zu Paul gegangen bin, habe ihm gesagt, dass er Ellen nicht heiraten kann. Und ich glaube das war keine gute Idee.“

Mit einem Ruck sprang Fiona hoch und baute sich vor ihrem Mann auf. „Wie bitte Ian? Was hast du Patrick gestern Abend im Stall gesagt? Wieso um Himmels Willen mischt du dich da ein? Ich kann nicht glauben, dass du zu so etwas fähig bist.“ Fiona war außer sich vor Wut und wusste mit ihrer explosiven Energie nicht wohin. Voller Übermut zog sie eine Schüssel aus dem Schrank und schlug ein paar Eier hinein. Dann kippte sie Mehl und Zucker dazu und fing wie eine Verrückte mit dem Schneebesen an zu rühren. Ian beobachtete seine Liebste und verstand die Welt nicht mehr. So aufgebracht hatte der alte Schotte seine kleine Butterblume noch nie gesehen und war sich nun ganz sicher, dass er gestern Abend einen Fehler gemacht hatte. Beschwichtigend sagte er: „Was regst du dich denn so auf Darling? Ich bin eben besorgt um meine Tochter und möchte ihr eine weitere Enttäuschung gerne ersparen. Ist das denn so schwer zu verstehen?“ Er ging auf Fiona zu und wollte sie zärtlich in den Arm nehmen, doch die Bäckerin wich ihm aus. „Das kann ich ja nachvollziehen Ian, aber dem armen Jungen zu sagen, dass er Ellen nicht heiraten kann, ist doch ein bisschen übertrieben. Du weißt doch wie schön es ist, dem einzig richtigen Menschen zu begegnen und das Gefühl zu haben, ihn nie wieder loslassen zu wollen. Die Beiden sind erwachsen und werden diesen Weg gemeinsam gehen. Mit oder ohne deinen Segen.“ Fiona holte einen Rest Milch aus dem Kühlschrank und goss ihn zu der entstandenen Teigmasse. Unterdessen goss sich Ian einen Tee auf und erzählte leise weiter. „Leider ist das noch nicht alles. Patricks Vater und ich haben damals einen Pakt geschlossen, dass die Kinder nur über unsere Leichen jemals wieder ein Paar werden können. Fiona, ich war so ein Narr. Und es ist eine verfahrene Situation, denn ein Pakt ist ein Pakt.“ Der alte Schotte kratze sich verlegen am Kopf und setzte sich mit seinem Tee auf die kleine Küchenbank am Fenster. Die Bäckerin unterbrach für einen Moment ihre Arbeit und schaute zu ihrem Mann hinüber. Dann musste sie laut lachen und warf ein bisschen Mehl in die Luft. „Halleluja….das ist doch eine wundervolle Nachricht und gar nicht verfahren. Dir ist doch sicherlich bekannt, dass man ein Pakt ganz leicht aufheben kann. Du musst dich nur mit Patricks Vater in Irland treffen. Dann spuckt ihr zweimal in die Hände, trinkt gemeinsam ein Guinness und schwupp, ist der Pakt aufgehoben. Das weiß doch jedes Kind!“ Daran hatte Ian in der Tat nicht mehr gedacht und fand die Aussage seiner Frau goldwert. Vielleicht konnte er die Situation doch noch retten und Patrick um Verzeihung bitten.

Patrick fröstelte etwas, als er die schmale Landstraße durch den Schnee stapfte. Niemand war unterwegs bei dieser Kälte, nur ein flinkes Eichhörnchen huschte mit einer kleinen Nuss schnell an ihm vorbei. Der Schafhirte hatte seinen Anorak bis oben hin geschlossen und auch die gesteppte Kapuze übergezogen. Der Wind pfiff lausig kalt in Schottland und er freute sich schon auf eine schöne heiße Schokolade. Er dachte verliebt an Ellen und sein Herz wurde augenblicklich wärmer. Wie gut, dass er den hiesigen Pfarrer am heutigen 2. Weihnachtsmorgen noch vor seinem Gottesdienst erwischt hatte. Dieser war zwar nicht wirklich darüber erfreut gewesen, dass man ihn bei seinem Frühstück gestört hatte, doch für einen verliebten Burschen machte er gerne eine Ausnahme. Als Pat in die Auffahrt des Gutshauses einbog, sah er in der Ferne, wie eine aufgeregte Ellen schnurstracks ins alte Kutscherhäuschen ihres Vaters stürmte. „Dad…..sag mir bitte was du gestern mit Patrick gemacht hast. Er hat letzte Nacht nicht in seinem Bett geschlafen und ich kann ihn nirgendwo auf dem Hof finden. Du bist der Letzte, der ihn gestern Abend gesehen hat. Was musstest du so Wichtiges mit ihm zu besprechen?“ Ellen hatte immer noch ihren Pyjama und die viel zu großen Gummistiefel an. Die Wachsjacke von Glen hatte sie im Gutshaus gelassen, dafür hing aber die Wolldecke über ihren Schultern. „Liebes, beruhige dich erst mal. Was soll das heißen? Er hat nicht in seinem Bett geschlafen und ist auch sonst nirgendwo auf dem Hof?“

Ian wurde es urplötzlich sehr mulmig zumute und er befürchtete das Schlimmste. Inständig hoffte er, dass sich der Junge nichts angetan hatte und flüsterte leise ein Stoßgebet zum Himmel. „Das soll heißen, dass du ihm irgendetwas gesagt haben musst, was ihn verunsichert oder verängstigt hat. Bitte sag mir was es war, sonst werde ich noch verrückt.“ Ellen ließ sich kraftlos auf einen Hocker fallen und sackte dann vollkommen in sich zusammen. „Du weißt doch wie sehr ich ihn liebe und das ich nie wieder ohne ihn sein möchte. Wie soll es denn jetzt weitergehen?“ Das Schluchzen seiner Tochter machte Ian´s schlechtes Gewissen nur noch schlimmer. Eine große Panik überkam ihn. Liebevoll nahm er Ellen in den Arm und strich ihr zärtlich über ihr Haar. „Ihm wird schon nichts passiert sein Kleines. Vielleicht vertritt er sich nur ein bisschen die Füße und kocht dir gerade in diesem Moment einen heißen Kakao in Glen´s Küche. Ich glaube wir gehen mal gemeinsam rüber. Was meinst du dazu?“ Fiona schaute ihren Mann flehend an und hoffte inständig, dass er nun endlich mit der Wahrheit rausrückte. Dann klopfte es zweimal heftig an die Türe.



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