Tweed, Shortbread und Haggis

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Foto: Thordis

„Stürmische See in seichten Gewässern“

Eine Kolumne von Thordis (44)

Ian hatte diskret in der Nase gebohrt, als plötzlich Patrick in der Stube des Kutscherhäuschens stand. „Hallo Ian! Ich will nicht lange stören, aber ist Ellen vielleicht bei euch? Ich kann sie einfach nicht auf ihrem Handy erreichen und ich mache mir ein bisschen Sorgen. Sie ist vor zwei Stunden zu Mrs. Burke in den Laden gelaufen und bisher nicht zurück gekommen. Der einfache Weg dauert doch nur 15 Minuten. Wo kann sie denn nur sein?“ Patrick klang ruhig und gelassen, jedoch merkte der alte Schotte sehr schnell, dass auch ein wenig Verzweiflung in seinem Ton mit schwang. Er versuchte ihn zu beruhigen. „Guten Abend mein Junge! Nein, Ellen ist nicht hier. Aber ich habe eben in den Nachrichten gehört, dass das Handynetz durch den starken Nebel und den stürmischen Wind in vielen Teilen des Landes gestört ist. Mach dir aber um Ellen keine Sorge, sie ist ein Landmädchen und weiß in solchen Lagen was zu tun ist. Sie wird sicher noch bei Mrs. Burke sein und den Sturm dort abwarten. Wir können ja gleich hinfahren und sie abholen.“ Das Ian in diesem Moment selbst ein ungutes Gefühl beschlich, ließ er sich jedoch nicht anmerken. „Komm, setz dich erst einmal, du bist ja ganz außer Atem. Bist du mit dem Rad gekommen?“ Fiona zeigte auf das gemütliche kleine Sofa unter dem Fenster und führte den jungen Mann dort hin. Patrick ließ sich kraftlos darauf nieder und hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, als säße er in einem Karussell, was immer schneller wurde. „Ja danke Fiona, ich bin mit dem Rad gefahren. Ich musste mich irgendwie ablenken und Bewegung ist einfach die beste Medizin für mich.“ Der junge Mann schloss für einen Wimpernschlag seine Augen und streckte seine Beine lang aus. Mit geschlossenen Augen brabbelte er. „Du hast gut Reden Ian, ich mache mir schreckliche Vorwürfe, denn ich hätte sie bei dem Wetter nicht allein gehen lassen sollen. Sie wollte nur kurz noch etwas zum Abendessen kaufen und wir hätten uns dann später einen Film im Fernsehen angeschaut.“

Patrick musste wohl eingenickt sein, denn er schreckte plötzlich hoch und es dauerte eine ganze Weile, bis er wusste wo er war. Er lag auf dem Sofa im Kutscherhäuschen und war in eine Wolldecke gehüllt. Dann hörte er einen dumpfen Schlag an der Eingangstüre. Jemand hämmerte wie verrückt an der Pforte und gab erst Ruhe, bis ihm endlich geöffnet wurde. Patricks Herz schlug plötzlich so laut, dass er glaubte es hören zu können. Glen trat in die Stube und der Schafhirte war auf einmal hellwach. „Sorry Leute, dass ich so spät noch störe, aber ich habe eben am Computer gesessen und meine Mails gecheckt. Und da war komischerweise eine Nachricht von Mrs. Burke dabei, die ein wenig beunruhigend klang.“ Erst jetzt realisierte Glen, dass auch Patrick in der Stube war und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Sie hörte sich sehr besorgt an, denn Ellen sei trotz ihrer Warnung in den Sturm hinaus gegangen.“ Glen schaute zu Patrick, der sich die Haare raufte. „Bist du deswegen hier Pat? Sie ist tatsächlich nicht nach Hause gekommen?“ Der Schafhirte zitterte am ganzen Körper und konnte seine Anspannung nicht länger verbergen. Er nickte nur und schnappte sich seine Jacke vom Haken. „Ich geh jetzt los und suche sie, denn ich will nicht, dass meine Süße ganz alleine da draußen ist.“ Glen hielt Patrick zurück und redete einfühlsam auf ihn ein. „Sobald sich der Nebel verzogen hat, werden wir nach meiner kleinen Schwester suchen. Ich will sie auch wohlbehalten zurück haben. Dad, du bist doch sicher auch dabei?“

Ellen atmete auf. Endlich hatten sich die schwere Nebelwand und der starke Sturm verzogen. Sie kauerte immer noch mit angewinkelten Beinen am Boden und wischte sich mit ihrem Jackenärmel übers feuchte Gesicht. Dann riss sie die Augen auf und starrte in den dunklen Himmel. Da sie komplett ihr Zeitgefühl verloren hatte, war sie erstaunt, dass es schon Abend war. Keine Ahnung, wie lange sie hier am Wegesrand verharrt hatte. Doch Gott sei Dank war es noch so hell, dass sie die Umrisse des Weges erkennen konnte. Schnell stand die junge Frau auf und schaute sich nach allen Seiten um. Dann sah sie weit in der Ferne und in die entgegengesetzte Richtung die drei Findlinge, die sich majestätisch in den Himmel reckten. „Das ist mir ja noch nie passiert. Ich bin doch eben tatsächlich in die falsche Richtung gelaufen. Warum habt ihr euch denn nur vor mir versteckt?“ Ellen wurde es plötzlich schwummerig zu Mute, denn sie begriff augenblicklich in was für einer ersten Lage sie sich befunden hatte. Durch den dichten Nebel und den stürmischen Wind hatte sie vollkommen die Orientierung verloren und wäre geradewegs auf den steilen Klippenabhang zugelaufen, wenn sie sich nicht auf den Boden gekauert hätte. „Danke Dad, dass du mir ein so guter Lehrer der Natur warst. Du hast mir heute das Leben gerettet.“ Sie nahm das kleine goldene Kreuz in die Hand, welches sie um den Hals trug und küsste es innig. Dann hängte sie sich den Korb an den Arm und machte sich schleunigst auf den Weg zur Abzweigung. Eiligen Schrittes lief sie vorwärts, denn sie wollte so schnell es ging nach Hause zu ihrem Patrick. Nach nur wenigen Metern hörte sie plötzlich Stimmen hinter einem riesigen Ginsterbusch, die nach einer Weile wieder verstummten. Unbeirrt lief Ellen weiter, denn sicherlich spielte ihre Phantasie ihr wieder mal einen Streich. Jedoch nach weiteren Sekunden hörte sie erneut jemanden rufen und ihr war so, als hörte sie ihren Namen. Dann urplötzlich kamen die passenden Gestalten zu den Stimmen zum Vorschein und Ellen konnte ihr Glück nicht fassen. „Dad, Glen….ich bin hier.“ Sie ließ den Korb fallen und lief den beiden Männern entgegen. Diese hatten sich den drei Findlingen bereits wieder abgewandt und liefen in Richtung Hafen. „Mein liebes Kind…..da bist du ja. Ich danke Gott, dass dir nichts passiert ist.“ Ian schloss seine Tochter dankbar in die Arme und vergoss ein paar Tränen an ihrer Schulter. Auch Glen atmete erleichtert auf und schloss sich der Umarmung an. „Pat, wir haben sie gefunden. Ellen geht es gut, sie ist wohlauf.“ Patrick kam aus dem Dickicht hervor gekrochen und glaubte seinen Augen kaum. Dann nahm er geschwind seine Beine in die Hand und stürmte in einem Affenzahn auf die Drei zu. Beinahe wäre er voller Übermut über eine Wurzel gestolpert, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig auffangen. „Ellen, Darling…..ich hatte solche Angst, dass dir etwas passiert ist. Fehlt dir auch nichts? Bist du wohlauf?“ Liebevoll wollte er seinen Schatz in die Arme nehmen und für immer ganz feste halten. Doch Ellen wich zurück!



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